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05 – Bildersturm – Kein dunkles Kapitel
Der reformierte Blick auf die Bilder. Gedanken zu einer theologischen Ästhetik. Teil V
Der reformierte Blick auf die Bilder, so hatten wir in der letzten Folge gesehen, lernt am byzantinischen Bilderstreit, dass sich in der Kirche schon früh vier unterschiedliche Annäherungen an die Kunst ausgeprägt haben, die theologische Ingebrauchnahme, die Didaktisierung, der Verweis auf die alternative religiöse Symbolisierung im Abendmahl und schließlich die dann auch von der reformierten Theologie übernommene Anerkenntnis der kulturellen Eigenständigkeit der Kunst.
Im Folgenden geht es darum, dass eine dieser Annäherungsformen immer wieder mit Bildersturm assoziiert wurde und auch war. Die Kultbildkritik, die Kunst als profanes Phänomen ansah, suchte konsequent die Bilder aus dem Kultraum zu entfernen. Dafür gab es aber mehr Gründe als nur die Berufung auf das 2. Gebot, es ging auch um die Bedeutung, die den Bildern darüber hinaus zugewiesen wurde.
Zunächst aber ist festzuhalten, dass Bildersturm selbstverständlich kein spezifisches Phänomen der Reformation ist, wir finden ihn zu allen Zeiten, im Alten Ägypten, im Rom des Altertums, bei zahlreichen sozialen Reformbewegungen, und eben auch in den religiösen Aufbrüchen nach 1517. Selten aber ist eine konfessionelle Bewegung so dauerhaft mit dem Bildersturm assoziiert worden, wie die reformierte Tradition. Bis in die Gegenwart wird ihr vorwurfsvoll vorgehalten, dass sie eine bilderstürmische (ikonoklastische) Haltung einnehme.
Nun kann man diesen Vorwurf leicht entkräften. Auch hier gilt natürlich, was bereits mehrfach angeklungen ist, dass es sich nicht um eine grundsätzlich bildkritische Haltung, sondern um eine kultbildkritische Einstellung handelt. Gestürmt wurden Kultbilder und Bilder mit bestimmten religiösen Funktionszuweisungen, andere Bilder dagegen wurden – wie es auch schon zuvor bei den byzantinischen Ikonoklasten zu beobachten war – großzügig gefördert. Es ist eben nicht so, dass die Kultbildkritiker auf alle Bilder verzichteten.
Wir müssen uns aber auch von einem Denken lösen, das im Bildersturm an sich schon etwas grundsätzlich Verwerfliches sieht. Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp hat vor Jahren geschrieben: „Die bilderstürmerischen Theorien gehören zu den großen geistigen Hervorbringungen ihrer Zeit, und die Formen ihrer praktischen Übersetzung waren so vielfältig und originell wie die Impulse, die zur Herstellung der Bilder nötig waren: Bildersturm konnte ebenso schöpferisch sein wie Bildproduktion.“
In heutigen Zeiten, in denen wir mit dem Phänomen kaum noch vertraut sind, dass sich jemand „Heil“ mittels von Stiftungsaltären erkaufen will, wirken manche der dagegen gerichteten bilderstürmische Aktionen wie Barbarei, so als ob sie sich vor allem gegen die Kunstwerke und nicht gegen das Verschachern und damit die Kapitalisierung (und implizite Zerstörung) von Religion wenden würden. Sie sind aber viel eher ein theologisch begründeter und sozial inspirierter Aufschrei. Warum sollten sich Begüterte Seligkeit durch Stiftungen erkaufen können? Und warum muss man diese religiöse Privilegierung permanent vor Augen geführt bekommen?
Keinesfalls dienten ja die zahlreichen Altarbilder vorrangig der religiösen Vermittlung biblischer Inhalte. Dieses Argument im Gefolge von Gregor dem Großen (der Bilder als Bibel der Laien bezeichnet hatte) galt nur in den seltensten Fällen, da eine Großzahl der Bilder in den Kirchen den Laien gar nicht zugänglich war. Der Hauptteil der Bildproduktion in der Kirche stammt aus Stiftungen. Und die Stifter verbanden mit ihren Bildern konkrete Interessen. Zum einen waren viele der gestifteten Bilder so etwas wie heutige großformatige Werbetafeln für die Zünfte. Diese stifteten ein im Kirchenraum zu platzierendes Bild, das möglichst mit dem Arbeitsbereich der eigenen Zunft zu tun haben sollte. Andere Stiftungen dienten der Verkürzung der Zeit im Fegefeuer – sei es der eigenen oder der der Verwandten (das berühmteste Beispiel ist sicher die Scrovegni-Kapelle in Padua mit den Bilder von Giotto). Es war eine Art Handel mit Gott, Bild gegen Gnade.
Flugblatt Klagrede der armen verfolgten Götzen und Tempelbilder (Erhard Schön, um 1530) © Germanisches Nationalmuseum / Wikicommons
In beiden Fällen konnten sich religiöse Reformbewegungen an Jesu Motivation zur Tempelreinigung erinnert fühlen. Und in der Radikalität, mit der im ausgehenden Mittelalter vorgegangen wurde, wurden dann Kirchen und Klöster von Kultgegenständen leergeräumt. Anders als im byzantinischen Bilderstreit, bei dem der Staat vor allem an dem toten Kapital der Kirche interessiert war, ging es im Bilderstreit der Reformation tatsächlich um eine „Reinigung“, bei der viel von dem vernichtet wurde, was wir heute Kunst nennen. Oder es wurde durch die Obrigkeit verkauft. Oft wurden Kunstwerke bzw. Fresken allerdings auch ‚nur‘ übertüncht und damit für die Nachwelt besser erhalten als an anderen Orten.
Für die Künstler allerdings war der Bildersturm weniger problematisch als der Zusammenbruch des Stiftungsgedankens, denn erst dieser zerstörte dauerhaft einen Gutteil ihres bis dahin florierenden Geschäftsfeldes. Die Stifter mussten sich ja fragen: Wenn man sich durch das Stiften von Altären das Heil nicht mehr sichern konnte, warum sollte man stiften? Die Künstler mussten sich daher neue Auftraggeber und Themen suchen. Langfristig dürfte daher die lutherische Kritik am Bilderstiften als nur scheinbar gutem Werk folgenreicher gewesen sein als die Räumung der Kirchen von Kultgegenständen. Noch folgenreicher war aber die Tatsache, dass neue, aufstrebende Schichten der Bevölkerung im Zuge der Reformation Interesse an der Kunst im privaten Raum entwickelten.
Andreas Mertin
Von Ulrich Zwingli, Johannes Calvin und Karl Barth geschult wirft Andreas Mertin einen reformierten Blick auf die Kunst von ihrem Anfang in steinzeitlichen Höhlen bis zur Gegenwart. Der Medienpädagoge und Ausstellungskurator nimmt das Bilderverbot als Kultbilderverbot ernst. Das zweite Gebot sei jedoch kein Kunstverbot.
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