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Karl Barths Versöhnungsdenken (2/4)
2.1 Das Verhältnis von Rechtfertigung und Heiligung
Barth stehen zwei theologische Extrempositionen in der Heiligung vor Augen, die Irritationen hervorrufen: die eine nennt er Aktivismus, die andere Quietismus. Während Quietismus nach Barth die religiös begründete Haltung totaler Passivität beschreibt, deutet er Aktivismus als religiösen Betätigungsdrang. Beides sind Extreme, weil sie die Beziehung der Rechtfertigung zur Heiligung und umgekehrt einseitig verkehren: im Quietismus erdrückt die Rechtfertigung die Heiligung, im Aktivismus erdrückt die Heiligung die Rechtfertigung. In beiden! Fällen, so Barth, verschwindet das eine Momentum im anderen. Barth erblickte in Schleiermacher einen Exponenten mystischen Quietismus‘, in Bultmann einen Anwalt eines sog. existentialistischen Aktivismus. Fangen wir mit Bultmann an.
a. Dass es bei dem großen Marburger Neutestamentler zur Dominanz der Heiligung über die Rechtfertigung kommt, ist darin begründet, dass dieser die Glaubensentscheidung überbetont, denn aus dem gnädigen Entscheidungsruf Jesu wird Entscheidungsnot des Menschen.22 Diese verträgt sich nicht mit dem Gnadenbund. Barth relativiert sie darauf hin: die Inanspruchnahme des Menschen darf niemals von seiner Annahme isoliert, oder auch nur in Ansätzen abgerückt werden, um nicht gesetzlich zu werden. Das Extrem gerade frommer Gesetzlichkeit stellt sich beim Aktivismus unweigerlich ein. Hier wähnt der, dem vergeben wurde, er könne Gott etwas geben, woraufhin er empfängt oder hätte etwas verdient, weil er dies oder jenes getan oder gelassen habe. Gott lasse sich, so Barth, aber nicht durch menschliche Leistungen beeindrucken, im Gegenteil: in Schwachen wolle er „stark“ sein (vgl. 2Kor 12,9), nicht aber in eingebildeten Starken. Jeder „christliche Aktivist“ hofft auf Gottes Anerkennung seiner Werke, etwa weil er irgendwann irgendetwas zur Versöhnung beigetragen hat und sei es „nur“ seine Bekehrung – wie für die Reformatoren ist auch für Barth die Versöhnung kein Deal (Handel), sondern reine Gottestat ohne Mitwirkung des Menschen. Dem wiederfährt in der Versöhnung, wie gesehen, etwas, das er gerade nicht verdient, nicht verdienen kann und deswegen nicht verdienen muss: ewiges Leben (vgl. Röm 1,17). Gesetzlichkeit als Folge falsch verstandener Heiligung rückt – ohne dass dies wissenschaftlich bislang genauer untersucht wurde – Rudolf Bultmann in eine von ihm selbst sicher nicht bewusst gesuchte Nähe zum Pietismus (s.u.).
b. Neben das Extrem des Aktivismus stellt Barth gleichwertig, nur von einer anderen Seite her gesehen, das Extrem des Quietismus, das in der Glaubenslehre des großen Berliner Theologen Schleiermacher anzutreffen ist. Beim Romantiker geht es nicht um Entscheidung, sondern um „mystische Einung der Gläubigen mit ihrem Erlöser“: Schleiermacher differenziert begrifflich nicht zwischen Versöhnung und Erlösung, auffällig ist aber, dass jede Heiligung für ihn darin besteht, in dem, der das vollkommene Gottesbewusstsein abbildet, zur Ruhe zu kommen – die hier ersehnte Ruhe ist aber nicht gleichzusetzen mit Augustins Gottesschau, sondern mehr mit irdischem Frieden, der darin besteht, dass Heiligung „Aneignung“ der „natürlichen Kräfte der Wiedergeborenen“ ist.23 Was bei Schleiermacher aktiv klingt, ist aber passivisch gemeint: die Gemeinschaft der Vollkommenheit des Erlösers drückt sich in der „einzelnen Seele“24 aus.
Die Vorstellung, dass Menschen sich Gottes Heil aneignen, oder genauer: das Heilswerk Jesu Christi erlangen, ist im Pietismus und auch in der altprotestantischen Orthodoxie bekannt und damit ist nicht gemeint, dass Menschen Heil im Sinne eines Tauschgeschäftes erwerben, vielmehr wird davon ausgegangen, dass sie das Heil, das in Jesu Christi Kreuzestod für sie bereit gestellt wurde, in Empfang nehmen können. Aber dem Begriff „Aneignung“ wohnt dabei eine problematische Nebenbedeutung inne, die sich, theologiegeschichtlich betrachtet, fast zu einer Hauptbedeutung erweitert hat, nämlich die Tatsache, dass es bei Heilsaneignung um so etwas wie eine Bemächtigung über das Heil geht; wir können es auch so sagen: semantisch schwingt bei der Aneignung ein gewisses Besitzdenken mit, das Glauben zum Habitus macht oder sogar die Gefahr heraufbeschwört, die Gabe des Heils (individualistisch oder kollektiv) einzuengen, etwa indem es entweder um ein privates Haben des Heils geht oder um dessen gemeindliche, Okkupation. Beides legt Barth zufolge eine Beraubung nah, die das Heil letztlich enteignen, ja entwerten muss und damit gleichsam die Gnade. Bei Schleiermacher, so Barth weiter, sei die Erlösung des Einzelnen im Blick. Wir fragen: Könnte dies eine individualistische Ver-Engung sein?
Es scheint, als gehe es dem beliebten Prediger mehr um spirituelles Haben als um geistliches, das heißt: geistgewirktes Teilhaben. Die Präzisierung, dass Heilsaneignung subjektive Einung, Einswerdung sei, erweckt den Eindruck, dass in der Beziehung, relatio zwischen Christus und den Christen, salopp gesagt, kein Blatt Papier dazwischen passt. Einung ist Einung der Seele, des „inneren Menschen“, mit Gott. Die Verinnerlichung des Heils und eine damit verbundene Heilsgewissheit ist ein zutiefst pietistisches Anliegen, das Philipp Jakob Spener dahingehend präzisiert hat, dass er es als höchste Menschenpflicht ansah, für das eigene Heil zu sorgen.25 Es ist hoffentlich deutlich geworden, warum Barth sich gegen den mystischen Quietismus zur Wehr setzt: er sieht in ihm einen verkappten Aktivismus, dessen Eigenart es obendrein ist, als Antinomismus zu wirken, was die Auswirkungen des Friedensideals Schleiermachers zeigen, dem Barth entgegenhält:
„Es ist immer dasselbe: Friede heißt Aufhebung von Kontrasten in einem höheren Dritten, Gewinnung eines Indifferenzpunktes zwischen den beiden Armen der großen Lebenswaage. […] Streit gibt es hier nicht […]. Der Gipfel des Gebets besteht darin, daß ‚Bitte‘ und ‚Dank‘ eineinanderfließen, weil die Gewährung immer schon da ist und daher ein Friede ohne Wechsel und Störung und darin sieht Schleiermacher das unaussprechliche Seufzen des göttlichen Geistes, der uns vertritt.“26
Barths Kritik an Schleiermacher richtet sich gegen die verharmlosende, indifferente Deutung des Friedens, der die Gnade Gottes, die in der Heiligung Ereignis wird, in eine Harmonie des Gleichklangs der Seele des Menschen mit Gottes Frieden verwandelt. Schleiermacher erweckt den Eindruck, als ob sich die Heiligung zwischen Partnern ereigne, die sich auf „Augenhöhe“ begegnen, weil sie einander ebenbürtig sind. Besteht in der Gott-Mensch-Beziehung nicht ein „Gefälle“ zwischen dem heiligenden Gott und dem geheiligten Menschen? Barth schließt: der Frieden Schleiermachers korreliert nicht mit Gottes Frieden, sondern entwickelt ein merkwürdiges Eigenleben, dem es in der Folge an der Inanspruchnahme des Menschen durch Gott mangelt. Hier liegt für Barth der Kern des Problems. Heiligung als Heilsaneignung macht den Glauben zur Privatsache, doch „privare“ bedeutet rauben. Schleiermachers Quietismus leugne die Not-Wendigkeit der Inanspruchnahme und damit die heilsame Umkehr des Menschen, die ebenso Gnade ist wie dessen Annahme. M.a.W.: weil Rechtfertigung und Heiligung sich wie zwei Seiten einer Medaille (Versöhnung) zueinander verhalten, werden sie weder zu trennen (Aktivismus) noch zu vermischen sein (Quietismus), so Barth. Zu dieser Beraubung passt also Schleiermachers Antinomismus, der die Weisung Gottes (Tora) und ihre befreiende Intention für obsolet erklärt.27 Für Schleiermacher scheint mit der Heilsaneignung alles paletti, schon jetzt vollendete Harmonie zwischen Gott und Mensch, der eschatologische Vorbehalt gelöst.
Falls das zutrifft und Schleiermacher zufolge trifft es zu, werden die Gebote im Christenleben überflüssig- An ihre Stelle ist Einung getreten, jene alle Gegensätze überwindende Harmonie, der jedwede Weisung nur hinderlich sein kann auf dem Weg zur totalen oder vollkommenen – zu denken ist an eine Christiana perfectio – Vereinigung zwischen Gott und Mensch. De facto hat Schleiermacher es in seiner Erlösungslehre nicht unterlassen, nicht nur das atl. Gesetz für obsolet für das Christenleben zu erklären, sondern auch das Judentum und dessen angeblichen Gesetzesfanatismus anzuprangern bzw. zur überwundenen Religionsstufe zu erklären.28
Fassen wir unseren ersten Gedankengang dahingehend zusammen, dass „Rechtfertigung“ und „Heiligung“ sich wie „Grund und Ziel“ zueinander verhalten, heißt: die Heiligung ist Ziel der Rechtfertigung, eben weil die Rechtfertigung Grund der Heiligung ist, oder anders: alleine die Zusammenschau von Rechtfertigung und Heiligung erweist beide als Gnadengaben Gottes in Christus, kurz: die, die Gott aus Gnaden annimmt, die nimmt er auch zu Recht in Dienst. Oder anders: in der Rechtfertigung wie in der Heiligung sagt Gott Ja zu den Entfremdeten, aber er sagt Nein zur Entfremdung, er trennt die Person also von ihren Werken, weil sie so heil, ganz, gesund wird. Die Loslösung der Person des Sünders von seinen oder ihren sündigen Taten ist geradezu das entscheidende Werk Gottes in der Versöhnung als der stellvertretenden(!) Sühne Jesu Christi. Die Sünde im Sünder vernichtet er, den Sünder heilt er. Das ist es, was in Gottes Versöhnung des Menschen in Christus Wirklichkeit zu heißen verdient hat, denn nur darin erweist sich Gottes Gnade als teuer: sie hat ihn seinen Sohn gekostet.29 Zeigt die Rechtfertigung also, dass das christliche Leben im Tod Christi grundgelegt ist und damit in das Christenleben eingezeichnet ist30, so offenbart seine Auferweckung von den Toten, dass christliche Existenz auf die Hoffnung der allgemeinen Auferstehung, der Auferstehung des Leibes (Apostolikum) zusteuert, diese jedoch schon jetzt offenbar wird. Wir fragen: Wie wird das, was ja noch nicht allen sichtbar ist, doch einigen schon jetzt sichtbar? Barth antwortet: in der Verborgenheit der neuen Schöpfung in Jesus Christus.31
2.2 Heiligung als Christusgemeinschaft
Wir möchten uns nun, weil das ja noch aussteht, auf die Suche nach der Gestalt der Heiligung machen. Sagen wir es gleich vorweg: „Heiligung“ heißt für Barth im Grund nichts anderes als Christusgemeinschaft. Diese bedeutet effektive Teilhabe der Christen an Jesus Christus. Diese ist effektiv dadurch, dass Christi Geist in der Heiligung gegen die Sünde der Heiligen kämpft, um sie so in eine immer „ausgereiftere Heiligung“ zu führen, oder, wie Barth genauerhin sagt: in die totale Auseinandersetzung mit sich selbst.32 In der Heiligung wird ein doppeltes Subjekt sichtbar: Christus in uns und wir in Christus. Weil unser Leben in Gott verborgen ist (vgl. Kol 3,3), macht Gottes Geist das Leben Jesu Christi in uns sichtbar. Diese komplexen Überlegungen sollen im Folgenden erklärt werden.
Während Christus in der Rechtfertigung für uns ist, ist er in der Heiligung, genauer: im Geist, mit uns (doppelte Stellvertretung). Diese Koexistenz durchzieht das Christenleben, daher wird der Versöhner auch der „Anfänger und Vollender des Glaubens“ genannt (so Hebr 12,2). Das Glaubensleben ist nach Barth keine in sich ruhende Größe, es ist spannungsgeladen. „Christ“ kann man nicht sein, sondern nach Luthers Diktum nur werden. Die Christenmenschen sind in Bewegung. Dafür sorgt ihr Herr und Gott (vgl. Joh 20,28). Die Gemeinschaft der Christen mit Christus zielt auf die Herrschaft des schon angebrochenen Lebens Gottes in ihnen im Heiligen Geist, das erst dann zu Ende geht, wenn sie sterben. Damit ist jede Heiligung für Barth stets „durchkreuzte Heiligung“33. Wie genau sieht sie im Leben der Christenmenschen aus?
Wie der Glaube jeden Tag neu ist, so auch der Gehorsam, der die Heiligung ausmacht. Auch das klingt wieder recht streng. Bei dem Wort „Gehorsam“ schwingt Gefügigkeit und absolute Unterwerfung mit. Das meint Barth aber nicht. Gehorsam meint hier eher Treue im Sinne der Gegentreue des Menschen zur vorausgehenden Treue Gottes. Welche Gestalt jedoch hat diese Gegentreue? Konkret geht es in der Heiligung um Nachfolge, in die Jesus Christus ruft. In der Nachfolge Jesu wird ein Herrschaftswechsel vorgenommen: Gott allein ist zu dienen, keinem anderen Herrn. Wir sehen: das erste Gebot ist bei Barth für das christliche Leben konstitutiv.
Aber damit das Wirklichkeit werden kann, muss der Sünder täglich dazu erweckt werden, sich abzukehren von aller Entfremdung und sich zu Gott wenden. In Christi Nachfolge können die Entfremdeten nicht so weiter machen wie bisher, sondern sind herausgefordert, nämlich durch das, was Barth „Erweckung zur Umkehr“ nennt. Im Christenleben bedarf es „täglicher Buße“ (Luther). In Barths Tauflehre, die wir im Anschluss betrachten, wird dies besonders virulent.
Folgende Merkmale weist Barth Gottes heiligendem Handeln zu: eine geistgewirkte Dynamik in der Umgestaltung des Lebens und „eine nicht abreißen wollende“ Kritik, die, wie das Wort sagt, (unter-)scheidet zwischen dem entfremdeten und dem neuen Menschen. In der Heiligung geht es um die „neue Kreatur“ (2Kor 5,17), um den Menschen, der Gottes Bund nicht länger bricht, sondern hält und dieser Mensch ist für Barth der Mensch Jesus Christus. Er zuerst. Er aber nicht allein, nicht ohne die Seinen, die von ihm Bekehrten, die von seiner Weisung, Tora, Lebenden, unter seinem Gebot Stehenden: „Einer trage des anderen Last.“ (Gal 6,2) Auch das mag wiederum recht streng, wenn nicht gar gesetzlich klingen, doch Barth meint es so nicht.
Gerade im Gehorsam gegen dieses spezielle Gebot, dieses Herrngebot, erweist es sich, ob von der Freiheit des Christenmenschen die Rede ist, denn frei ist nach Barth der Mensch da, wo er will, was er soll, oder anders: JHWHs Tora (Lehre) hat die Funktion, die Befreiten wieder neu frei zu machen (vgl. Ex 20ff.). Frei für Gott kann der Mensch nach Barth aber nur da werden, wo er frei von sich selbst geworden ist, wo er also aufgehört hat, sich um sich selbst und seine Sorgen zu drehen und verstanden hat, dass er nicht mehr sich selbst, sondern Gott gehört (vgl. Röm 14,8).
Die Heiligung des Einzelnen, wie sie bei Schleiermacher begegnete, kann in der Vereinzelung enden, in einem circulus vitiosus. Heiligung meint darum auch nicht Selbstheiligung, sondern Heiligmachung. Diese Warnung ruft Barth pietistischen Zeitgenossen zu, in der Hoffnung, die Universalität der Heiligung, also ihre kosmische Weite neu zu entdecken.34 Neben Bultmann – Schleiermacher spielt eher implizit eine Rolle in Barths Abgrenzungen – führt Barth vor allem mit dem Pietismus als einer frühneuzeitlichen Frömmigkeitsbewegung eine Diskussion. Seine Pietismuskritik hat sich im Laufe seines theologischen Werks immer wieder gewandelt. Bevor wir seine Kritik untersuchen, lohnt ein Blick auf die verschiedenen „Stadien“ Karl Barths im Umgang mit dem Pietismus und mit Pietisten. Zusammen mit seinem letzten Assistenten, dem Göttinger Theologen Eberhard Busch, unterscheide ich fünf Stadien:
1. Stadium: Barth wächst in einem mild-pietistischen Elternhaus auf, in dem ihm eine „eigene Erfahrung“ nahegelegt werden. In dieser Zeit ist er ein Gegner jeder toten Orthodoxie.
2. Stadium: Im ersten „Römerbrief“ greift er den Pietismus wegen dessen Indivudualismus an: „Einzelbekehrung, Einzelheiligung, Einzelseligkeit“ sind hier die Schlagworte.
3. Stadium: Im zweiten „Römerbrief“ kritisiert Barth die Meinung, Buße sei ein Werk, das es ermögliche, sich ein „Anrecht auf Gottes Vergebung sichern zu können“; positiv vermerkt der junge Barth das pietistische Interesse am „neuen Menschen“
4. Stadium: Um 1932/33 blickt Barth nun neu auf die Pietisten: diese wollten sich Gottes Heil aneignen, bspw. indem eine „innere Stimme“ zu „Lebensgewohnheiten“ rufe, „mit denen man sich von anderen abheben“ wolle, doch auch die Pietisten durchschauten diesen Versuch als „vergebliche Selbstrechtfertigung“.
5. Stadium: In der Heiligung gibt Barth dem Wollen der Pietisten recht, „neue Menschen“ zu werden, bleibt aber kritisch: er könne „biblisch von Bekehrung, Heiligung, Erweckung reden, ohne ein Pietist zu werden“. Entscheidend bleibe: Heiligung ereigne sich nicht in uns, sondern in Christus, und: Gottes Heiligkeit werde bestimmt durch seinen Bundeswillen, sie schließe die Freiheit in sich, sich selbst zu überschreiten, um sich mit einem von ihm Verschiedenen zu verbinden.35
Heiligung ist und bleibt Gabe. Deshalb kann sie nicht frommer Besitz werden, obwohl ständig von jener Bemächtigung des Heils seitens des Menschen (s.o.), gerade des Christenmenschen, so Barth, auszugehen ist. Als Christusgemeinschaft impliziert sie kritische Lebensbegleitung – das ist die Funktion des Heiligen Geistes. Das heißt Erweckung zur Umkehr. Das Ereignis der Erweckung – einem tiefen Aufwachen vergleichbar – wird als radikale Situationsveränderung gedeutet, die ihre Entsprechung (Analogie) nach Barth in der Auferweckung Jesu Christi von den Toten hat. „Umkehr“ zieht er „Bekehrung“ vor, da ihm in der „Bekehrung“ die Aktivität des Menschen auf Kosten der Aktivität Gottes gehen könnte, sodass Gottes Wirken in seinem Geist klein geschrieben würde. Dieses Extrem muss sich nicht ergeben, kann sich ergeben und folgende Bedenken geben Barth Anlass dazu, dass das auch wirklich so ist:
1) Bekehrung kommt nie unabhängig vom Wirken des Heiligen Geistes vor. Schon hierdurch wird die (scheinbare) Aktivität des Menschen zumindest „erschüttert“. Der Mensch, vor allem der Christenmensch, soll lernen, dass für ihn Gal 2,20a gilt: „Ich lebe (…), doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mit.“ Des Weiteren darf er wissen: „So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen“ (Röm 9,16). Die Verheißung der Umkehr, der Rückkehr zu Gott muss für Barth Gnade bleiben, wenn es nicht zu einer „Mitwirkung des Menschen“ an der Versöhnung und also zu einem Heilssynergismus kommen soll. Dieser suspendiert bekanntermaßen den Heiligen Geist als Freund des gesunden Menschenverstandes.
2) Bekehrung kommt nicht ohne den Kampf dieses Geistes gegen unsere Sünde aus. Sie ist, so könnten wir auch sagen, nichts Fertiges. Sie ist wie die Heiligung vorläufig, in Bewegung; der Gedanke der Vorläufigkeit begegnete uns schon im Leitsatz zur Heiligungslehre (s.o.). Er will dafür sensibel machen, dass auch in des Menschen Heiligung „die Bäume nicht zum Himmel“ wachsen, sondern dass Christen in einem Zwischen-Zustand existieren, der als solcher ja gottgewollt ist. Würde das Kennzeichen der Vorläufigkeit beseitigt, so Barth, käme es zu allerlei magischen Vorstellungen von einem höheren Christenleben oder dergleichen.36
3) Bekehrung ist kein zeitlich datierbares Momentum, dessen wiederholte Thematisierung der Selbstversicherung dient. Das ist für Barth insofern verwerflich, als dass der Christenmensch, er zuerst, hier Hoffnung (Geduld) durch Sicherheit (Angst) ersetzt. Wer Sicherheit will, hat ja Angst. Da jedoch Furcht nicht in der Liebe ist (vgl. 1Joh 4,18), die das Ziel der Heiligung ist, darum kommt Barth die Thematisierung eines datierbaren Bekehrungserlebnisses seltsam vor. Darin kündigt sich für ihn eine falsch verstandene Heilsgewissheit an: „Gewissheit“ wird hier formal zwar als von Gott geschenkt begriffen (Wissen), vertraut wird aber auch auf jenes Erlebnis einer persönlichen Zuwendung zum Herrn (Glauben). Nicht nur Glauben und Wissen kommen hierbei gehörig durcheinander, sondern die feste Zuversicht, die dem Glauben eignet (vgl. Hebr 11,1), verwandelt sich (unter der Hand!) in einen psychologischen Akt, der wieder und wieder versucht, beim frommen Bewusstsein anzuknüpfen, nicht beim neuschöpferischen Geist. Solche Bekehrungserlebnisse leben nicht nur von Angsterlebnissen, sie perpetuieren sie auch.
4) Bekehrung als Aktion des Menschen ist starr, während Erweckung dynamisch verläuft. Das ist wohl Barths gewichtigster Einwand gegen den Bekehrungsbegriff. Wo die persönliche Bekehrung des Menschen zu Gott gefordert wird, sieht der Mensch sich einem Druck ausgesetzt, der ihn dazu treiben kann, auf Nummer sicher zu gehen. Aber gerade diese Sicherheit, von der er für sich, und wenn er nicht egozentrisch ist, auch für „seine Lieben“ so viel erwartet, gibt’s nicht, wie gesehen. Sie existiert nur in seinen Gedanken. Den Praxistext kann sie ja gar nicht bestehen, denn sie ist nicht flexibel, sondern unbeweglich. Das Christenleben ist aber, wie gehört, nicht Müßiggang und faule Ruhe, sondern Bewegung, es ist im Werden. Darum Luthers trotzige Rede von der täglichen Buße. Sie ist nicht Akt, sie Aktion, Aktion Gottes, nämlich die Aktion eines nicht einsamen Gottes, sondern, so Karl Barth unmissverständlich, eines solchen Gottes, der Gemeinschaft mit vereinsamten (und wer wäre das nicht) Menschen will. Gott, der Gott, der in Jesus Christus Mensch geworden ist und sich so unserer verlorenen Sache angenommen hat, so Barth, ist reich („Fülle“), und seinen Reichtum will er mit seinen versöhnten Geschöpfen teilen, darum Rechtfertigung, darum Heiligung.
5) Bekehrung ist nicht Überbietung der Rechtfertigung, sondern bleibend auf sie angewiesen. Schon Bultmanns Entscheidungsruf macht hellhörig: wird das Evangelium Christi nicht heimlich zum fremden Gesetz? Vielleicht ist das zu viel gesagt. Soviel muss jedoch gesagt werden: eine Heiligung, die sich von der Rechtfertigung ablöst, verdient den Namen „Heiligung“ nicht mehr. Warum? Weil auch die Allerheiligsten seiner Vergebung bedürfen. Wozu gebietet Jesus die fünfte Bitte des Unservater? Weshalb schärft Paulus allen seinen Gemeinden ein, dass der Trost Gottes nicht ohne Mahnung bleibt? Im Griechischen steht für „Trost“ und „Mahnung“ dasselbe Wort! Ja, wovon leben denn Christen im Grunde, wenn nicht davon, dass Gott ihnen ihre Schuld(en) erlässt? Sicher: wer meint, in seinem Leben keiner Vergebung mehr bedürftig zu sein, weil er sich nun einmal bekehrt hat, für den kann es, wie gesehen, um einen „höheres Leben in christlicher Vollkommenheit gehen. Wer das Ernst meint, dem muss das Kreuz Jesu Christi aber entweder eine Dummheit oder ein arges Ärgernis sein (vgl. 1Kor 1,18).
6) Bekehrung meint nicht Wiedergeburt, denn sie hängt untrennbar mit Umkehr zusammen – es war, so Barth, das Verhängnis des 17. Jahrhunderts bis heute, von einer sog. Heilsordnung zu sprechen: sowohl in der altprotestantischen Orthodoxie wie auch im Pietismus.37 Ausholen wollen wir hier nicht, nur so viel: wer von einer Ordnung des Heils spricht, der muss die postulierte Ordnung am Heil Gottes messen und nicht, wie das aber leider geschehen ist, an allen möglichen und auch unmöglichen Momenten der psychischen Verfassung des Menschen; hier kommt es dann zu einer Art Entwicklungsdenken, das dem „Turmbau zu Babel“ (Gen 11,1-9) viel ähnlicher ist als die bedingungslose Selbsterniedrigung des Gottessohnes. Oder sagen wir es so: wo es um das Heil des Menschen geht, da geht es um seine Versöhnung, und die ist und bleibt nach Barth Aktion Gottes, nämlich Gottes allein. Unser Teilhaben daran ist Gnade und darum gehören Rechtfertigung und Heiligung zusammen und sind die Begriffe „Bekehrung“ und „Wiedergeburt“ letztlich Synonyme des biblisch deutlich häufigeren und umfassenderen, weil inhaltlich von vornherein soteriologisch aufgeladenen Begriffs Heiligung.
Die Ordnung, die im Wort „Heilsordnung“ mitschwingt, hat sich, je länger je mehr, verselbständigt, so dass irgendwann nicht mehr Gottes Heil, sondern die Ordnung des Menschen in den Vordergrund gerückt wurde. Man kann das noch gut daran erkennen, dass in älteren Dogmatiken regelrecht eine Stufenbau in Sachen Versöhnung versucht wurde, der stärker vom Fortschrittsdenken des jeweiligen Zeitalters Zeugnis ablegte, als von der Gnade der Versöhnung. Das hing vor allem damit zusammen, dass im reformierten Bereich dem einstigen Gnadenbund ein weiterer – und weiterführender – Werkbund an die Seite gestellt wurde, der die Rechtfertigung durch Heiligung erdrückte (s.o.).38
Von entscheidender Bedeutung ist, dass Barth den Bekehrungsbegriff neu liest, indem er von Umkehr spricht und sie als totale Auseinandersetzung des Christen mit sich selbst interpretiert – sie ist Entsprechung zu Gottes Bundeswillen. Schon die Propheten zielten vornehmlich auf, so Hans Walter Wolff, die „Hin- und Rückkehr“ des Volkes zu JHWH.39 Dies geht nicht ohne Weisung und deshalb folgert Barth für die Erweckung zur Umkehr:
a. Glaube ist keine Privatsache, sondern Hinwendung zum Nächsten, zum Mitmenschen, denn in der Menschwerdung erblickt Barth, dass die Humanität Jesu in Mitmenschlichkeit besteht.
b. Umkehr ist mehr als nur Sinnesänderung (kognitiv, emotiv), sie beschreibt eine umfassende Lebensänderung im Sinne einer „Umkehrung des Menschen zur Menschlichkeit“40.
c. Christsein ist seinem Wesen nach unvereinbar mit Vereinzelung. Vielmehr besteht es in der immer neuen Hin- und Rückkehr in die „Gemeinschaft der Heiligen“. Barth zufolge weiß der Pietist sehr genau um den Gemeindebezug der Christen, dieser wird aber dadurch unterlaufen, dass der Einzelne entweder im Kollektiv aufgehen will oder sich ihm heimlich entzieht, was besonders da der Fall ist, wo sich das religiöse Subjekt über die Gemeinschaft stellt und sogar wähnt, mit ihm stehe und falle die Gemeinde, was für Barth freilich christlicher Illusionismus ist.
d. Die totale Auseinandersetzung mit sich selbst verläuft innerhalb und außerhalb der Kirche. Auch wenn die totale Auseinandersetzung mit sich selbst unserer Erfahrung zu widersprechen scheint – Barth ist sich dessen bewusst –, ändert das seines Erachtens nichts daran, in immer neuen Anläufen darauf hinzuweisen, dass das christlichen Leben in der Nachfolge ein Leben in der Spannung von „schon und noch nicht“ und also unter dem eschatologischen Vorbehalt ist, dass es lebenslanger Umkehr bedarf. Diese soll „sichtbar“ werden im Leben der Christen, indem die „Gesinnung Christi“ (Phil 2,5) in ihnen sichtbar wird – als „Heilige Gottes“ sind sie zuerst und vor allem Gott selbst bekannt und ansichtig. Demnach bleibt das Christenleben für Barth „verborgen“ (Kol 3,3), aber es bleibt nicht wirkungslos.
Gerade die Verborgenheit eines jeden christlichen Lebens ist mitunter schwer auszuhalten, weil sie Reflex der Unsichtbarkeit Gottes und Bürde des Alltags (in aber nicht von der Welt) ist. Wohl darum zielte das Anliegen des Pietismus und zielt es immer noch auf die Sichtbarkeit der neuen Kreatur aus 2Kor 5,17 – diese ist aber seitens des Menschen nicht zu „machen“, so Barth, sondern verbleibt dem Verfügen des Schöpfers über sein Geschöpf und ist darum nur zu erbitten wie in dem bekannten lateinischen Hymnus „Veni creator spiritus“ (Komm, Schöpfer Geist). M.a.W.: Dass also das, was der Mensch vor Gott ist und sein darf als „inwendiger Mensch“ (Luther) auch nach außen sichtbar wird, liegt für Barth in Gottes Willen begründet, der dahin lautet, dass Menschen sich taufen lassen als ein Akt des Bekenntnisses zu dem, der sich selbst, obgleich er keiner Sünder überführt werden konnte, taufen ließ (vgl. Mk 1,9-11par).
Die Taufe fragt nach Barth nach der Begründung des christlichen Lebens; in seiner Tauflehre geht es um die versöhnungsethischen Konsequenzen des Gnadenbundes im Raum der Gemeinde, um die Folgen aus jener so totalen Auseinandersetzung mit sich selbst, aus der Umkehr, die weder legalistisch noch mystisch zu missverstehen ist, kurz: aus der Christusgemeinschaft, aus dem Ruf in die Nachfolge unter der Regierung desjenigen, der den ganzen Menschen in Anspruch nimmt, der alle Lebensbereiche beherrschen will, weil er der Herr ist.
Wenn wir im Folgenden Barths Tauflehre betrachten, so tun wir das in der Absicht, die theologisch-ethischen Schlussfolgerungen aus dem heiligenden und rechtfertigenden Handelns Gottes nicht zuerst zu ziehen, sondern vor allem zu diskutieren – Barths Heiligungslehre ist nicht in einem Wolkenkuckucksheim entstanden. Sie ist Spiegel diverser Kontroversen und damit ein Stück gelebte Theologie in den Herausforderungen ihrer Zeit, hier: der 1950er und 60er Jahre. Das Lehrstück von der Taufe eignet sich darum, weil in ihm verdichtet sprachlich (Wortwahl) zentrale Anliegen der Heiligung rezipiert werden. Dazu gehören die Motive Inklusion/Exklusion, Vermittlung/Teilhabe, An-/Inanspruchnahme. In der Tauflehre, die 1967 veröffentlicht wird (ein Jahr vor seinem Tod), ist deutlich die Handschrift seines letzten Baseler Assistenten, Eberhard Busch, zu erkennen.
--> Weiterlesen: Befreiende Relativierungen (3/4)
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22 Vgl. zum Entscheidungsbegriff und einem damit einhergehenden Dezisionismus-Verdacht: Rudolf Bultmann, Jesus, Tübingen 1926, vgl. Schönberger, 384-389.
23 Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher, Der christliche Glaube, 2. Aufl. (1830/31), hg. v. Rolf Schäfer, Berlin/ New York 2008, 391.
24 A.a.O., 391f.
25 Vgl. zu Speners Heiligungsvorstellungen Jan Olaf Rüttgart, Heiliges Leben in der Welt. Grundzüge christlicher Sittlichkeit nach Philipp Jakob Spener (AGP 16), Bielefeld 1978, 97.
26 Karl Barth, GA, Bd. 11: Die Theologie Schleiermachers 1923/1924, hg. v. Dietrich Ritschl, Zürich 1978, 29.
27 „[A]ber dem Gesetz selbst werden wir doch auf dem Gebiet der Heiligung keinen Werth beilegen können, weil die Liebe immer viel mehr ist und thut, als das Gesetz leisten und sein kann. […] Noch viel weniger aber vermag das Gesetz uns das Ziel der Heiligung vorzuhalten“, so Schleiermacher, Der christliche Glaube II, 226.
28 Vgl. dazu Matthias Wolfes, Schleiermacher und das Judentum. Aspekte der antijudaistischen Motivgeschichte im deutschen Kulturprotestantismus, in: Aschkenas 14 (2005), 485-510.
29 S.u.
30 Vgl. Barth, KD IV, 676-694 ( = § 66,6: „Die Würde des Kreuzes“); vgl. dazu Schönberger, a.a.O. 357-361.
31 Vgl. Schönberger, a.a.O., 351-353.
32 Vgl. a.a.O., 348-351.
33 Barth, KD IV/2, 609: Barth stimmt keinen Lobpreis des Leidens an. Leid zu glorifizieren, ist für ihn zynisch und geradezu eine „unmögliche Möglichkeit“. Er weiß um die Schrecken der menschlichen Trägheit, die Menschen im Elend gefangen halten und ihnen wie auch Gott selbst Leid bescheren. Gott leidet aber, das ist für Barth zentral, mit dem sündigen Menschen (Compassion). Da das Thema ihm wichtig ist, möchte ich einige Deutungen zu Barths Überlegungen zum Kreuztragen (tolerantia crucis) anzufügen: „Das Tragen des Kreuzes ist ehrenvoll, da es die „konkreteste Gestalt“ der Gemeinschaft mit Christus ist: wo das Kreuz Christi verborgen bleibt, bildet die Kreuzesnachfolge sichtbar ab, was dem Menschen in der Heiligung verheißen ist: Gemeinschaft mit Christus, auch im Leiden […] Barth weist nicht nur auf die in der Apostelgeschichte gehäuft beschriebenen Verfolgungsszenarien hin. Die Signifikanz der tolerantia crucis kommt da zur Entfaltung, wo die „universale Tragweite der Versöhnung“ […] den Bereich der Schöpfung mit einschließt und Hoffnung im Leiden zur Hoffnung nicht nur für Christen, sondern für alle Menschen wird, wie Barth im Hinblick auf Röm 8,18ff. konstatiert […]. Mit „dieser Zeit Leiden“ (Röm 8,18) sind nicht nur äußerliche „Verfolgungen“, wie sie Paulus schmerzlich erlebte (vgl. Apg 16,30-40 u.ö.), gemeint, sondern auch „Hinfälligkeit des kreatürliches Wesens, Unfälle, Gebrechen, Krankheit, Altwerden, Verlieren oder Entbehren lieber Mitmenschen, Sorge um das tägliche Brot, oder was dafür gehalten wird, Erniedrigungen und Beleidigungen – gewollt oder ungewollt –, Mangel an freier Entfaltung und das Warten auf das Sterben als solches“: so kommt für Barth in der tolerantia crucis die Dimension der Anfechtung ins Blickfeld“ ( Schönberger, a.a.O., 359f.).
34 Vgl. dazu schon den Leitsatz zu §66: „Des Menschen Heiligung“, in KD IV/2, 565: „Die dem menschlichen Versagen zum Trotz im Tode Jesu Christi geschehene und in seiner Auferstehung kundgemachte Erhebung des Menschen ist als solche die Erschaffung von dessen neuer Existenzform als Gottes getreuer Bundesgenosse. Sie beruht ganz auf des Menschen Rechtfertigung vor Gott und sie ist wie diese nur in dem einen Jesus Christus, sie ist aber in Ihm mächtig und verbindlich für alle verwirklicht. Sie bezeugt sich, indem sie als Weisung unter ihnen wirksam ist: im Leben eines Volkes von Menschen, die kraft des an sie ergehenden Rufes in seine Nachfolge, ihrer Erweckung zur Umkehr, des Lobes ihrer Werke, ihrer Auszeichnung durch das ihnen auferlegte Kreuz noch als Sünder schon Gehorsam leisten, schon als Gottes Heilige sich aufzurichten die Freiheit haben – als vorläufige Darbringung der Dankbarkeit, zu der die ganze Welt durch die Tat der Liebe Gottes bestimmt ist“ [Hervorhebung D.S].
35 Eberhard Busch, Beziehungen. Barth und der Pietismus, in: Michael Beintker, Barth Handbuch, Tübingen 2016, 81-83. Eberhard Busch verdanke ich für meine Dissertation sehr viel, vor allem aufgrund seiner Schrift: „Karl Barth und die Pietisten. Die Pietismuskritik des jungen Karl Barth und ihre Erwiderung (BEvTh 82), München 1978.
36 Vgl. Schönberger, a.a.O. 294: Die Heiligungsvorstellungen der angelsächsischen Heiligungsbewegungen kulminieren im Ausdruck „higher life“, der einen höheren Christenstand anzeigt, in dem Christen Sünden hinter sich lassen. Diese perfektionistische Vorstellung unterminiert die Heiligung als „durchkreuzte Heiligung“ (s.o.).
37 Vgl. Schönberger, a.a.O., 278; hier zum Heilsverständnis John Wesleys.
38 Vgl. Eberhard Busch, Reformiert. Profil einer Konfession, Zürich 2007, 75-90 und die klugen Beobachtungen zur Föderaltheologie des 17. Jahrhunderts.
39 Vgl. Anm. 7. Das Rückkehrmotiv verbindet sich in der prophetischen Literatur des Alten Testaments nicht nur mit der Hoffnung auf die Heimkehr der in Babylon Exulierten ins Land Israel, sondern auch mit der Hinkehr Israels zu dem einen Gott: JHWH. Gerade der „Götzendienst“ der religiösen und wirtschaftlichen Oberschicht Israels verhindert die Rückkehr ins gelobte Land und zum Wiederaufbau des Tempels.
40 Hans Joachim Iwand, Christologie. Die Umkehrung des Menschen zur Menschlichkeit, NW: Neue Folge, Bd. 2, bearb., komm. u. mit einem Nachwort vers. v. E. Lempp und E. Thaidigsmann, Gütersloh 1999.
Dennis Schönberger
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