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Im Dialog mit Muslimen
Predigt über die erste These der Barmer Theologischen Erklärung
These 1 der Barmer Theologischen Erklärung:
„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh. 14,6)
„Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wer nicht zur Tür hineingeht in den Schafstall, sondern steigt anderswo hinein, der ist ein Dieb und ein Mörder. Ich bin die Tür; so jemand durch mich eingeht, der wird selig werden.“ (Joh. 10,1.9)
Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.
Altpräses Manfred Kock: Predigt über die erste These der Barmer Theologischen Erklärung (2000/2005) (Auszug)
„(...) Jesus sagt: Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Bei Gott ist Platz für alle. Niemand muss zu einem Wettlauf um Gottes Gunst antreten zulasten anderer. Keine Religion erreicht dadurch Gottes Nähe, dass sie andere verdrängt.
„Du bist der Christus“, d.h., du bist das Eine Wort der göttlichen Liebe, das diese Welt rettet. Das soll in unserer Kirche lebendig sein, dann ist alles genug. Das ist die Ernte der Barmer Erklärung. Sie ist Einladung zu Vertrauen und Gehorsam. Zum Leben gehört nicht nur das Brot, das uns ernährt: Es gehören dazu auch solche Worte, die unserem Leben Richtung geben.
Auf diesem Weg ist die Religionsfreiheit in der Verfassung unseres demokratischen und säkularen Staates von großer Bedeutung. Religionsfreiheit ist nicht nur das Recht des Individuums auf eigenen Glauben, sondern auch die Freiheit, Religion gemeinschaftlich ausüben zu können. Die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften selbst sind in die Garantie der Religionsfreiheit aufgenommen. Die Verfassung und die Rechtsprechung in Deutschland haben dieses in klarer und unmissverständlicher Weise herausgestellt.
Erfahrungen aus der Geschichte unserer Kirche und unseres Landes, die wir zu ganz wesentlichen Teilen der Reformation und der Auseinandersetzung mit der Aufklärung verdanken, haben wir in die Gespräche mit anderen Religionen, das sind in unserem Land vor allem die Muslime, einzubringen und in ihren kulturellen und rechtlichen Konsequenzen von denen, die hier leben wollen, auch einzufordern.
Inzwischen leben etwa 15 Millionen Muslime in Europa, in Deutschland sind es mehr als drei Millionen. Also ist der Dialog der einzige vorstellbare Weg in die Zukunft. Wir haben in unserem Land keine Alternative zum Aufbau einer Kultur des Zusammenlebens und des Dialoges.
Wir benutzen für die theologische Dimension des religiösen Zusammenlebens und Austausches gerne den Begriff der „Konvivenz“. Die Frage ist, wie dieses Zusammenleben konkret zu gestalten ist und wie ein Dialog geführt werden kann. Ein Zusammenleben, das mehr als ein Nebeneinanderleben ist, hat auch zur Voraussetzung, dass die Religionen sich selbst ernst nehmen und ihre Wahrheitsansprüche nicht aufgeben.
Viele, die im christlichen Kulturkreis aufgewachsen sind, wissen über ihre geistige Herkunft viel zu wenig. Die Achtung vor dem Glauben anderer erfordert die Bereitschaft, deren Glauben kennen zu lernen. Trotz der Anstrengungen auch der Kirchen in den zurückliegenden Jahrzehnten, über die in Deutschland anwesenden anderen Religionen zu informieren, bezweifle ich, dass es in der Bevölkerung ausreichende Kenntnisse über andere Religionen gibt. Die sind aber erforderlich, um bei den anderen Gemeinsamkeiten zu erkennen und zugleich auch Fremdartiges und für uns Unverständliches zu akzeptieren.
Ich bezweifle ebenfalls, dass Muslime in Deutschland ausreichend Informationen über den christlichen Glauben haben, um ihrerseits auch Missverständnisse zu vermeiden und unsere Grundüberzeugungen zu verstehen.
Auch Grundsätze unserer Verfassung müssen im Gespräch mit dem Islam zur Sprache kommen. Dazu gehören die Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols und die Befürwortung der organisatorischen Trennung von Kirche und Staat. In unserem Land ist in der Partnerschaft von Staat und Kirche ein bewährtes Modell gefunden, das der Freiheit des Glaubens dient und zugleich der Gesellschaft Nutzen bringt.
Dazu gehört ferner, dass die Freiheit des Einzelnen immer mit der Bereitschaft zur Verantwortung verbunden sein muss. Die Gleichstellung von Männern und Frauen darf nicht bestritten werden.
Christus, der die Wahrheit ist und die Freiheit schenkt, wird seine Kirche weiter tragen. Gerade in dieser Zeit, in der Menschen unterschiedlicher Religionen sich enger und häufiger begegnen als je zuvor. Christus ist die Mitte der Heiligen Schrift und die Mitte unseres Kirchenverständnisses.
Seine Botschaft bietet das Entscheidende:
1. Christus gibt uns ein realistisches Menschenbild. Er kennt die Versäumnisse und die abgründigen Irrwege. Wir müssen nichts vertuschen.
2. Niemand ist auf sich allein gestellt. Auch wenn bisweilen die Gemeinden kleiner geworden sind und verzagen, mindestens einer bleibt, zu dem wir sprechen können – Christus.
3. Die Finsternis hat nicht das letzte Wort, in dieser Welt nicht, in jedem einzelnen Menschenleben nicht. Das Leben wird stärker sein als der Tod.“
Manfred Kock