Die Welt bricht auseinander

Andacht als Klage Zum Ende des Kirchenjahres und zu eG 378 'Es mag sein, dass alles fällt'


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Von Pastor Michael Ebener, Göttingen – November 2021

Die Welt bricht auseinander.
Aber drinnen is gemütlich.
Da sitzen sie und reden.
Vierzehn Tage lang, zweihundert Nationen, fünfundzwanzigtausend Teilnehmer.
Am Ende gute Absichten.
Wenn’s gut geht.
Und wenn China und Indien mitmachen.
Wenn nicht,
gibt es ein paar Schuldige.
Auch nicht schlecht.
Überhaupt: Miteinanderreden ist nicht schlecht!
Egal, ob das Glas am Ende halbleer oder halbvoll ist.
Was für eine Alternative gäbe es denn?
Draußen stehen sie und rufen und trillern und pfeifen.
Das haben doch alle gewusst:
Die Alten sind schuld!
Die Jungen sind Vorbild,
machen jetzt Revolution –
also vornehmlich die Jungen,
die urban und weiblich sind und Abitur haben.

Die Welt bricht auseinander.
Und manchen steht das Wasser bis zum Hals,
andere stehen knietief darin.
Der Außenminister von Tuvalu sogar im Anzug.
Sein pazifischer Inselstaat geht unter.
Aber das Wasser da ist kristallklar.
Mensch, Südsee – da könnt man ja jetzt auch mal wieder hin!
Wär‘ nicht mal ein Inlandflug …

Und direkt nach den neusten Nachrichten zur Klimakrise –
Das ist wirklich ernst jetzt:
Sogar Eckart von Hirschausen ist nach Glasgow gefahren.
Also, es ist fünf nach Zwölf.
Oder zumindest fünf Sekunden vor Zwölf … –
direkt danach kommt der Börsenbericht.

Die Flutkatastrophe in NRW kostet dreizehn Milliarden –
insgesamt hat der Bund dreißig bereitgestellt.
Warum nicht dreihundert für die Folgejahre gleich mit?
Die Wirtschaft wächst nicht so, wie erwartet.
Aber der DAX ist auf Rekordhoch.
Der Anleger ist nicht nervös.
Das ist doch beruhigend!
Aber die Inflation liegt bei knapp 4%,
da kommt das urdeutsche Trauma hoch!
Kein Wunder,
dass keine Handwerker mehr zu bekommen sind.
Und versuch erst mal, Verschalungsholz zu bekommen!
Unmöglich, sag ich dir …

Aber der Tannebaum ist nicht gefährdet.
Heidschi Bumbeidschi bum bum.

Die Welt bricht auseinander.
Und VW baut ein riesengroßes neues Werk in Wolfsburg.
Die Automobilnation schafft die Verkehrswende dank Elektromobilität –
und klimaneutralen Wohlstand für alle gleich mit.
Auch weil die Demokratie lebt!
Nach einem Twitterentscheid seiner Follower –
früher und in anderem Zusammenhang nannte man die „Jünger“ –
verkauft Elon Musk einen klitzekleinen Anteil seiner Aktien,
damit er auch mal Steuern zahlt.
Das ist eine richtig neue Erfahrung.
So geht das also:
Eben mal die Welt retten.
Was soll man sich auch anschauen,
wenn man sich das 1-Million-Dollar-Ticket bei SpaceX gebucht hat,
und keine Welt mehr da?
So schön blau und klein und verletzlich …

Die Welt bricht auseinander.
Wie wär’s mit richtig Zampano?
Es ist November.
Es ist feuchtkalt und fast überall möchte man lieber sein –
Am liebsten in „Germany, das ist ein gutes Land“ –
wer wollte das irgendjemandem auf der Welt verdenken?
Außer wir uns selbst vielleicht,
die wir Weltmeister im Jammern sind! –

überall möchte man lieber sein,
als in den Grenzwäldern zwischen Belarus und Polen.
4000 Menschen sind es wohl,
die ein perfider Diktator da einer unentspannten Regierung vor die Nase karrt.
Und die schickt Soldaten an die Grenze, und er schickt Soldaten.
Alle sichern alles zu beiden Seiten mit Stacheldraht.
Und da stehen sie sich nun gegenüber mit entsicherten Waffen,
im Niemandsland dazwischen die 4000.
Die Speisung der 4000 …
Die EU ist ratlos, die NATO ist ratlos:
Es gibt wirklich böse Menschen auf der Welt!
Wäre schön,
wenn man denen vereint gegenübertritt
und vielleicht sogar mit so etwas wie einer Strategie.
Man könnte ja mal in Moskau anrufen.
Putin lässt Überschallbomber aufsteigen,
atombombenfähig,
damit sich ja keiner Illusionen macht.
Und an der Grenze zur Ukraine gibt es deutliche russische Truppenbewegungen.
Die Stimmung in Brüssel ist dementsprechend bedrückt.
Mit Druck muss man umgehen können!

Die Welt bricht auseinander.
Nach der Impfung bleibt meist ein wenig Druckempfinden.
Das reicht offensichtlich, um ein Land zu spalten.
2-G, 3-G – geh wech:
In diesem Laden –
ein Cafe in Annaberg, Sachsen, Inzidenz weit über fünfhundert! –
gilt Artikel 1 Grundgesetz.
Der Betreiber meint,
im Rest des Landes nicht!
Egal ob (un)geimpft, (un)getestet,
genesen, gesund, gechipt,
männlich, weiblich, divers,
groß, klein, dick, dünn,
Raucher, Nichtraucher,
alt, jung, (un)sportlich,
maskenbefreit oder was auch immer …
Sie sind als Mensch herzlich willkommen!

Soll man sich da die Impfpflicht wünschen,
für alle und sofort,
und Ordnungskräfte,
die das kontrollieren und auch sanktionieren,
oder lieber für die Wahrung individueller Freiheitsrechte streiten –
allzumal der Religionsfreiheit?
War ein Christenmensch nicht freister Herr und Knecht zugleich?
Pandemie ist keine Privatsache.
Aber drückt es jemanden persönlich,
dass im globalen Süden kaum Impfstoff ankommt,
während wir fürs Boostern Schlange stehen?
Deutschland gibt 175 Millionen Dosen Impfstoff an Drittstaaten.
Warum auch nicht,
wenn die hier keiner haben will?

Die Welt bricht auseinander.
Auf La Palma speit ein Vulkan seit Wochen Feuer.
Der hört einfach nicht auf!
Schön ist das.
Aber nur für die,
die das Spektakel am Bildschirm verfolgen
oder weit genug abstehen.

Tun wir nicht …

Es mag sein, dass alles fällt,
dass die Burgen dieser Welt
um dich her in Trümmer brechen.
Halte du den Glauben fest,
dass dich Gott nicht fallen lässt:
er hält sein Versprechen.

Es mag sein, dass Trug und List
eine Weile Meister ist;
wie Gott will, sind Gottes Gaben.
Rechte nicht um Mein und Dein;
manches Glück ist auf den Schein,
lass es Weile haben.

Es mag sein, dass Frevel siegt,
wo der Fromme niederliegt;
doch nach jedem Unterliegen
wirst du den Gerechten sehn
lebend aus dem Feuer gehn,
neue Kräfte kriegen.

Es mag sein – die Welt ist alt –
Missetat und Missgestalt
sind in ihr gemeine Plagen.
Schau dir's an und stehe fest:
nur wer sich nicht schrecken lässt,
darf die Krone tragen.

Es mag sein, so soll es sein!
Fass ein Herz und gib dich drein;
Angst und Sorge wird's nicht wenden.
Streite, du gewinnst den Streit!
Deine Zeit und alle Zeit
stehn in Gottes Händen.
Rudolf Alexander Schröder – eG 378

Amen.


Pastor Michael Ebener, Göttingen – November 2021