Text:
"Du hast meine Seele vom Tode errettet, mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten. Ich werde wandeln vor dem HERRN im Lande der Lebendigen" (Psalm 116, 8 + 9).
Kasus: Sterbefall einer 86-jährigen Frau
Lieder:
1. Wer nur den lieben Gott lässt walten
2. Stark ist meines Jesu Hand
3. Menschliches Wesen, was ist’s gewesen
Liebe Familien N.N., liebe Angehörige und Freunde von N.N., liebe Trauergemeinde,
junge Menschen, etwa Konfirmanden, fragen danach, was sie denn vom christlichen Glauben haben. Und in dieser Frage sind sie sehr ra-dikal. Wovon ich nichts habe, das leiste ich mir auch erst gar nicht. Ihnen gegenüber könnten wir etwa sagen, dass der christliche Glaube Menschen zufrieden macht, ihnen Ruhe, Halt, Perspektive und Gelas-senheit im Leben schenkt. Aber wo kann man das schon sehen und er-leben?
Für mich war N.N. ein Mensch, der das gelebt hat. Da hat der Glaube als Lebenshaltung ein Gesicht gehabt. In ihrem Leben trat der Glaube aus einem unbestimmten und nebulösen Schattendasein eines bloßen Zur-Kenntnis-Nehmens und theoretischen Wissens mitten ins helle Licht. So wäre N.N. etwa eine Person gewesen, zu der ich gerne einmal Konfirmanden zu einem Gespräch über ihren Glauben geschickt hätte. Und da hätten sie wahrlich etwas zu hören und zu sehen bekommen. Nämlich wie der Glaube an Jesus Christus als persönlichen Heiland ein Leben wirklich prägen kann und wie er ihm Gestalt gibt. Wie er dem Leben eine innere Fröhlichkeit und Zuversicht schenken kann, auch wenn längst nicht alles rosig abläuft, sondern sogar gerade da, wo das Leben beschwerlich ist.
So habe ich und viele von euch bestimmt auch N.N. erlebt. Der frühe Tod ihres Mannes, unter dem sie bis in die letzten Tage litt, hat sie nicht verbittert oder gram werden lassen. Sie lebte lebensoffen und aufgeschlossen bis in ihr hohes Alter hinein. Ihr, die Familie, wart ihr sehr wichtig; ein Herzensanliegen. Als Mutter und Oma habt ihr sie geliebt und wisst nur zu gut, wen und was ihr nun in ihrem Sterben verloren habt.
Gemeinsam mit euch gilt es nun, Abschied zu nehmen. Dabei wollen wir uns gegenseitig des Glaubens erinnern, der N.N. bis in ihre letzten Stunden hinein getragen hat. Es sind Verse aus dem Losungsbuch für den heutigen Tag, die wir hören wollen; Worte aus Psalm 116. Da heißt es zunächst: "Stricke des Todes hatten mich umfangen, des To-tenreiches Schrecken hatten mich getroffen. Ich kam in Jammer und Not. Aber ich rief an den Namen des HERRN: Ach HERR, errette mich!" (Psalm 116, 3 + 4).
Wie schon eben erwähnt, war das Leben für N.N. keineswegs nur ein Zuckerschlecken, sondern mit dem frühen Verlust ihres Mannes und den daraus resultierenden Konsequenzen hat sie wahrlich auch die beschwerlichen Seiten kennengelernt. Aber gerade in ihren finsteren Tälern, auch in den Tälern des Todesschattens, hat sie in Gott ihr Gegenüber gehabt. Gott konnte sie ihr Leid klagen und ihm konnte sie auch ein fröhliches Danklied anstimmen. In den guten und bösen Tagen des Lebens fand sie sich bei ihm geborgen. In der Zuwendung zu Gott, im Gebet, im Lesen der Bibel, im Besuch von Gottesdiensten und Bibelstunden, fand ihr Leben Grund und Tiefgang. Hier konnte sie, um mit Worten von Psalm 1 zu reden, Wurzeln austreiben, die ihr auch in den Stürmen des Lebens und in Zeiten der Dürre, mit dem versorgten, was sie zum Leben brauchte.
In einem Israelurlaub konnte sie am See Genezareth etwas von dem nachempfinden, was sie schon des Öfteren in ihrem Leben durchlebt hat und wovon der Lehrtext des heutigen Tages in Matthäus 14 in der Geschichte von der Seewandlung des Petrus erzählt. Die Jünger Jesu geraten in einen Lebenssturm. Ihr Boot wird zum Spielball der Wellen. Sie werden gelebt und haben die Führung und Regie über ihr Leben verloren. In dieser Not kommt ihnen Jesus auf dem aufgewühlten See entgegen. In ihrem Schrecken dauert es schon einige Zeit, bis sie ihn erkennen. Da wo alles aufgewühlt ist und durcheinander geht, fordert er sie auf, Ruhe zu bewahren und sich nicht zu fürchten. Petrus wagt es sogar aus dem Boot auszusteigen und auf Jesus zuzugehen. Als er diesen allerdings aus dem Blick verliert, geht er unter. In seiner Not schreit er zu Jesus um Hilfe und erfährt diese auch.
Ja, so ist es N.N. wohl auch im Leben ergangen. Sie ist nicht vor Stürmen bewahrt worden. Manches Mal war sie mittendrin. Aber dabei durfte sie dann auch die tiefen Erfahrungen des Glaubens machen, dass Gott entweder den Sturm stillen kann, oder die ruhig macht, die mitten im Sturm sind.
Nun sind wir auch in einen Lebenssturm geraten. Und wer von uns könnte schon sagen, dass er angesichts des Todes noch das Ruder und Steuer fest in der Hand hat; dass er Herr der Lage sei. Nein, das ist eben nicht so. Der Sturm der Trauer, des Loslassenmüssens hat uns ergriffen und zuweilen wirft er uns hin und her. Und dieser Sturm lässt sich auch nicht mal eben so abstellen. Aber eines dürfen wir wahrlich von Gott erbitten: er möge uns mitten im Sturm ruhig machen. Ruhig machen und ihn nicht aus dem Blick verlieren lassen.
Von Petrus auf dem See wird es bei Matthäus so erzählt: „Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn“. Der ist wahrlich gehalten und in guten Händen, den Jesus ergriffen hat. Davon haben wir eben ja auch gesungen. „Stark ist meines Jesu Hand, und er wird mich ewig fassen“. Das ist für mich eines der schönsten Bilder im Hinblick darauf, was es denn heißt an das ewige Leben zu glauben. So haben wir gestern mit den Konfirmanden diesen Jahres ein Konfirmandengespräch geführt und kamen dabei eben auch auf das Thema Auferstehungsglaube und ewiges Leben zu sprechen. Unter anderen können wir ebenso von unserem Glauben reden, dass wir sagen: wir sind gehalten. Egal was kommt, egal wo wir sind, wir sind gehalten und geborgen in Gottes Hand. Und das was bleibt und Bestand behält selbst in Sterben und Tod ist eben nicht das, was von mir kommt, sondern dass Gott bleibt. Sein Treue, sein Halten und Zupacken bleiben. Er gibt mich nicht preis, er lässt mich nicht los, egal was kommt.
In Worten aus Psalm 116 heißt das so: "Du hast meine Seele vom Tode errettet, mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten. Ich werde wandeln vor dem HERRN im Lande der Lebendigen" Die Krise, die der Tod im Leben des Psalmbeters auslöste, hat er im betenden Ringen mit Gott überwunden. Er ist gestärkt im Vertrauen auf Gott daraus hervorgegangen: "Ich werde wandeln vor dem HERRN im Lande der Lebendigen." Der Tod hat für ihn an Schrecken eingebüßt; Gott ist der Herr im Lande der Lebendigen. Diese Worte umschreiben auch den festen und gewissen Glauben, der N.N. geschenkt worden ist und den sie gelebt hat. Das hätte sie auch so sagen können: In werde wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen. Genau das macht doch christliche Osterhoffnung aus, dass wir daran glauben, nach dem Sterben eben nicht in einem Nichts zu landen, sondern im Land der Lebendigen zu sein und dort Gottes liebendes Angesicht zu schauen. Das war ihr Trost im Leben und im Sterben und eben damit hat sie eine Antwort auf die Frage gefunden, was denn im Leben trägt und im Sterben noch gilt.
In Dankbarkeit wollen wir Abschied nehmen von N.N.. Wir befehlen sie und uns der Gnade und Barmherzigkeit Gottes. Gott lasse sie nun sein liebendes Angesicht schauen. Und wir selbst wollen uns Gott anbefehlen. Er schenke uns die feste Zuversicht, dass auch wir sagen und bekennen können: „Du hast meine Seele vom Tode errettet, mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten. Ich werde wandeln vor dem HERRN im Lande der Lebendigen“ Amen