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Jesus Christus ist auferstanden - Ostern 1947
Von Karl Barth
„Man schämt sich tief, wenn man sich vor Augen hält, wie kümmerlich wenig wir mit diesem ‚Jesus Christus ist auferstanden’, mit der Osterbotschaft also, anzufangen wissen. Man schämt sich für sich selbst, wie wenig man doch dieser Botschaft gewachsen ist: mit dem Kopf nicht und mit dem Herzen und Gewissen erst recht nicht und mit seinem Leben schon gar nicht.
(…)
Man könnte freilich auch fast erschrecken, wenn man sich vorstellte, wie es wäre, wenn das plötzlich auskäme und bekannt würde. (…) Wenn sich das auf einer unserer Großbanken etwa kurz vor Bureuschluß auf einmal in seinem wahren Sinn herumspräche vom Direktorszimmer bis zu den Schaltern für das Publikum! (…) Wenn in einer Pfarrer-Konferenz – vielleicht in der Woche nach Ostern, wenn sie alle begreiflicherweise etwas müde und etwas zum Unglauben geneigt sind – jemand durchs offene Fenster von außen dieses Wort hereinriefe! (…)
Wenn … aber der Leser mag sich weitere Situationen (und seine eigene) selbst ausmalen. Wenn er dann nicht ein wenig erschrickt, so kann es nur eben daran liegen, daß er das Wort noch nicht verstanden hat und darum seine wirklich revolutionäre Bedeutung für das menschliche Leben nicht zu ermessen weiß. (…) ‚Jesus Christus ist auferstanden’ heißt nämlich: ‚Das Alte ist vergangen, siehe da, es wurde zu einem Neuen’ [2. Kor. 5, 17].
Nicht, wie es jedes Jahr wieder Frühling wird. Nicht, wie wir jeden Morgen zu einem neuen Tag erwachen. Nicht, wie es nach bösen Zeiten (wenigstens manchmal) auch wieder besser zu gehen pflegt. Und nicht, wie wir nach Kummertagen auch wieder ein wenig Mut schöpfen mögen. Da vergeht ja das Alte nicht, da wird es ja nicht zu einem Neuen. Das sind ja bekanntlich nur Teilstrecken in einem großen Kreislauf. ‚Jesus Christus ist auferstanden’ bedeutet aber eine endgültige und gänzliche Veränderung aller Dinge infolge dessen, daß sie in ein ganz neues Licht gekommen sind.
Ich nenne ein paar von den Dingen, die im Lichte der Auferstehung Jesu Christi endgültig und gänzlich verändert sind: Was wir das Böse nennen, hat wie eine Wespe, nachdem sie einmal gestochen hat, von da an keine Macht mehr. (…) Der Tod? Hier muß man das Stärkste sagen, wenn man es recht sagen will: In der Auferstehung Jesu Christi ist es besiegelt, daß wir schon gestorben sind [vgl. Kol. 3, 3] und daß das Sterben, das wir noch vor uns haben, nur die Bestätigung sein wird, daß alle Verlegenheit und Bitterkeit, alle Finsternis des Todes schon erledigt ist und hinter uns liegt. (…)
Vielleicht hat uns die Nachricht noch nicht richtig erreicht, vielleicht glauben wir sie noch nicht. Jedenfalls haben wir noch nicht realisiert, was geschehen ist. Und so leben wir weiter, als wäre nichts geschehen. Was sind wir für kuriose Leute! (…)
Gesucht sind ein paar fröhliche Christen und ein paar fröhliche Weltkinder, (…) die also ohne Angst, daß jene Veränderung wahr sein könnte, realisieren wollen, was damit geschehen ist. Die böse Zeit, in der wir leben, hat ein paar solche Menschen nötig, die für das Licht der ‚Sonne der Gerechtigkeit’ [Mal. 3, 20], wie Jesus Christus in alten Tagen genannt wurde, dankbar sein, die in diesem Licht leben und dieses Lichtes Zeugen sein mögen.“
Aus: Karl Barth, Jesus Christus ist auferstanden (Ostern 1947), in: ders., Predigten 1935-1952, hrsg. von Hartmut Spieker und Hinrich Stoevesandt (Gesamtausgabe Abt. I), Zürich 1996, 451-455.
Karl Barth