So sollt ihr beten:
Unser Vater im Himmel.
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Das Brot, das wir nötig haben, gib uns heute!
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben haben jenen, die an uns schuldig geworden sind.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen. (Matthäus 6, 9-13)
Liebe Gemeinde, Dein NAME werde geheiligt. Wie kann das geschehen? Wie heiligen Menschen den NAMEN des EINEN? Den NAMEN dessen, von dem Jesus anweist und zusagt: S o sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel ...?
Ich höre mit Ihnen auf eine Zeugenaussage. Eine Aussage die bezeugt, wie es geschieht: „Die von den Lastwagen abgestiegenen Menschen, Männer, Frauen und Kinder jeden Alters, mußten sich auf Aufforderung eines SS-Mannes, der in der Hand eine Reit- oder Hundepeitsche hielt, ausziehen und ihre Kleidung nach Schuhen, Ober- und Unterkleidung getrennt, an bestimmte Stellen ablegen. [...] Ohne Geschrei oder Weinen zogen sich diese Menschen aus, standen in Familiengruppen beisammen, küßten und verabschiedeten sich und warteten auf den Wink eines anderen SS-Mannes, der an der Grube stand und ebenfalls eine Peitsche in der Hand hielt.
[...] Ich beobachtete eine Familie von etwa 8 Personen [...]. Der Vater hielt an der Hand einen Jungen von etwa 10 Jahren, sprach leise auf ihn ein. Der Junge kämpfte mit den Tränen. Der Vater zeigte mit dem Finger zum Himmel, streichelte ihn über den Kopf und schien ihm etwas zu erklären. Da rief schon der SS-Mann an der Grube seinem Kameraden etwas zu.“
Die Zeugenaussage geht noch weiter. Augenblicke später steht der Zeuge an einer großen Grube. Bereits zu drei Vierteln gefüllt mit einer kaum fassbaren Zahl von Menschenleibern. Manche zucken noch. Der Beobachter fügt noch an: „Ich schaute mich nach den Schützen um. Dieser, ein SS-Mann, saß am Rand der Schmalseite der Grube auf dem Erdboden, ließ die Beine in die Grube herabhängen, hatte auf seinen Knien eine Maschinenpistole liegen und rauchte eine Zigarette.“(1)
Ein Vater zeigt mit dem Finger zum Himmel. Das ist das Zeugnis. Der letzte Augenblick, bevor der Familie das Leben genommen wird. Wir könnten empfinden: Dieser Vater trägt hier für nichts Verantwortung. Alle Verantwortung ist ihm schon genommen. So wie ihm die Kleider genommen sind. So wie ihm einen Augenblick das Leben genommen wird.
Aber dieser Vater übernimmt die Verantwortung für sein Kind. Er weist zum Himmel. Nur mit dem Finger weisend vollzieht er ein Bekenntnis. Jedes Bekenntnis ist zuerst und zuletzt vor Gott selbst gewagt. Nicht vor Menschen. Obwohl sich hier, wo wir das Ende aller menschlichen Beziehung erwarten, für dieses Bekenntnis sogar ein menschlicher Zeuge findet. Und auch dann, wenn dieses Bekenntnis einen Wunsch hat, nämlich den Wunsch, einem Kind zu helfen.
Das Bekenntnis sagt: Israels Vater ist im Himmel. Es ist sein NAME, der hier entweiht wird. Entweiht in der Vernichtung des Volkes, das erbeim Namen gerufen hat. Des Volkes, das ihm gehört, noch wenn es durch Wasser und durch Feuer geht. Des Volkes, dem er die Söhne und Töchter zurückbringt, die nach seinem NAMEN benannt sind und die er zu seiner Ehre gemacht hat — zur Heiligung seines NAMENS (vgl. Jesaja 43, 1-7).
Der NAME des Gottes Israels ist es, der hier entweiht wird. Entweiht in der tiefen Entwürdigung von Menschen. Die letzte Ohnmacht, die die Herrenmenschen mit Peitsche, Maschinenpistole und Zigarette um sich verbeiten, provoziert das Bekenntnis: Es kann nur noch er selbst sein. Es kann nur noch der Vater Israels im Himmel sein, der selbst eintritt für die Heiligung seines NAMENS.
Von dem Bekenntnis und Gebet spreche ich, das ein erhobener Zeigefinger vollzieht. Und zugleich von dem Ruf und der Erwartung, die dazu gehören. Von dem Ruf und der Erwartung, mit denen Jesus andere, schon ihm vertraute Gebete Israels nachspricht: Dein Name werde schließlich doch geheiligt! Dein Reich, deine Königsherrschaft komme! Obwohl sich Menschen zu Göttern erheben und zu Bestien aus dem Abgrund werden. Dein Wille, deine Weisung werde auf Erden getan!
Wir kennen nicht die Namen der Familie, aus der gerade das Gedächtnis an Vater und Kind für uns aufgetaucht ist. Wir kennen sie nicht, aber der Gott Israels, vor dem die Cherubim singen Heilig, heilig, heilig ist Adonai Zebaot. Alle Lande sind seiner Ehre voll (Jesaja 6, 3) — der hat sie beim Namen gerufen.
Wir kennen nicht die Namen von mehreren Tausend Menschen, die 1942 in diesem Ort Rowno und seinen Nachbarorten im ukrainischen Wolhynien in ihren Massengräbern exekutiert wurden.
Israel bewahrt die Namen seiner Kinder, um des NAMENS seines Gottes zu gedenken. Es gedenkt der Menschen, um SEINE Verheißung weiter zu überliefern. Von Geschlecht zu Geschlecht.
Aber schauen Sie Hiob an! Was ist, wenn ein Leben, das sich ausrichtet an der Weisung Gottes, doch keine Zukunft erfährt? Wenn es abgeschnitten ist vom Zweig und verdorrt? Wenn es zerstört wird? Sein Gedächtnis schwand von der Erde, nicht mehr hat er einen Namen auf der Gasse (Hiob 18, 17).
So sagt Hiobs Freund.
Für die Vergessenen, für die, die keine Kinder haben, für die, mit denen eine Welt untergeht, für die kann schließlich nur noch der Gott Israels selbst mit seinem Gedächtnis eintreten.
Denen es genommen ist, Nachkommen zu haben, und die doch an seinem Bund festhalten, denen sagt er selbst zu:
Ihnen gebe ich in meinem Haus, in meinen Mauern Handzeichen und Namensmal — yad wa schem —,
was mehr ist als Söhne und Töchter.
Einen ewigen Namen werde ich ihnen geben,
der nicht getilgt wird (Jesaja 56, 4-5).
Denn der Gott Israels hat seinen NAMEN mit den Namen der Kinder Israels verbunden. Seinen NAMEN, den er auslegt in seiner Geschichte mit seinen Geschöpfen. In der Geschichte, in der er sich beugt zum versklavten Volk. In der er mit ihm in die Verbannung und in die Freiheit geht. Seinen NAMEN hat er mit ihm verbunden, der sich auslegt in dem Beziehungswort Vater.
Denn Gott bekennt sich zu Israel. Als zu seinem Sohn. Er setzt dieses Volk in Bewegung auf den Weg, auf dem es ihm allein dient. Befreit aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen. Er sucht diesen Weg. Er steht zu denen, die Tag und Nacht schreien: Verschaffe mir Recht.
Wir kennen den Namen des Zeugen, aus dessen Zeugnis ich uns gelesen habe. In seiner Heimatstadt Solingen ist seinem Namen eine Gedenktafel gewidmet. Und was viel mehr in Erinnerung ruft auf der Gasse: Nach ihm ist ein Jugendzentrum benannt. Hermann Friedrich Gräbe war in Wolhynien als Manager seiner Solinger Baufirma für sogenannte kriegswichtige Arbeiten an Gleisanlagen.
Wovon er dort Zeuge wurde, das versetzte ihn für mich auf die Spur der Heiligung des NAMENS Gottes. Er stellte trotz gefährlicher Nachfragen jüdische Menschen mit gefälschten Pässen ein für seine Arbeiten. Das rettete Menschen vor der Vernichtung. Er nahm seine Zeugenaufzeichnungen mit sich. Seine Aussagen brachten ihm als deutschem Zeugen im Nürnberger Prozess ein, dass er in Deutschland nicht mehr seine Familie ernähren konnte. Für die letzten 20 Jahre seines Lebens hätte ihm in Deutschland Verhaftung gedroht. Der Anwalt des zu Gefängnis verurteilten Gebietskommissars hatte in der Revision gegen Hermann Gräbe eine Anklage wegen Falschaussage erreicht. Erst mehrere Jahre nach dem Tod von Hermann Gräbe im Jahre 1986 begann seine menschliche Rehabilitation in Deutschland.
Wir beginnen zu ahnen, was es heißt, Gottes NAMEN zu heiligen. Es bedeutet das Bekenntnis zu dem EINEN, von dem Menschen die entscheidende Herrschaft erwarten. Es bedeutet die Ausrichtung an Recht und Gebot, die uns lehrt, im Antlitz des anderen Menschen, im Antlitz des Fremden Gottes Antlitz zu sehen.
Es bedeutet, wie jüdische Auslegung unterscheidet, zuerst das Joch des Himmelreiches zu tragen. Und daraufhin das Joch der Tora: Dein NAME werde geheiligt. Dein Reich komme bald. Dein Wille werde getan. Oder, wie Jesus ebenfalls in der Bergpredigt sagt: Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes — und nach seiner Gerechtigkeit.
Dieser Auslegung folgt auch der Heidelberger Katechismus:
Gib uns zuerst, dass wir d i c h recht erkennen
und dich heiligen, rühmen und preisen
in allen deinen Werken [...].
Gib uns auch, dass wir unser ganzes Leben,
unsere Gedanken, Worte und Werke darauf richten,
dass dein Name unsertwegen nicht gelästert,
sondern geehrt und gepriesen werde (Frage 122).
Ich möchte einen anderen bescheidenen Zeugen des Glaubenszeugnisses nennen. Vor etwas mehr als einem Jahr ist in Grasse in Frankreich Robert Caspar verstorben. Er wurde 83 Jahre alt. Sein Orden, die Afrikanischen Missionare, genannt die Weißen Väter, schreibt: Er kehrte heim in das Haus des Vaters. Die Mission seines Ordens, die er in Tunesien lebte, bedeutet, unter dort heimischen Menschen das Leben zu teilen, die gottesdienstliche Gemeinschaft zu vollziehen und das Leben mit Gott auszurichten an dem, was Jesus zu beten lehrt.
Vor gut 42 Jahren hatte der wissenschaftlich gebildete Pater Robert Caspar das Vatikanische Konzil beraten, als es die Muslime würdigte, die sich Gott mit ganzer Seele unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat.
Robert Caspar hat weitergegeben, was Muslimen ihr Zeugnis zum einen, einzigen Gott bedeutet: Was man ihnen nach ihrer Geburt ins Ohr gesprochen hat, das wollen sie noch in der Todesstunde bezeugen. Oder wenigstens, wenn in dieser Stunde keine Kraft für solche Worte ist, den Zeigefinger zum Himmel heben. (2)
Muslime bezeugen mit ihren Worten nicht ausdrücklich DEN NAMEN des Gottes Israels. Aber sie bezeugen den einen Gott in einer Weise, die das Zeugnis Israels bestätigt und bekräftigt. Sie bezeugen Gott in einer Weise, die ihre Grundlegung findet in Abrahams Hingabe unter Gottes Prüfungen und die nicht denkbar ist ohne Mose und die Propheten, ohne Jesus und Maria, ohne die biblische Ausrichtung von Gebet, Glauben und Leben auf den Einen.
Zur Umkehr von Muslimen und von Christen zu Gott, zur Erneuerung unseres Glaubensweges gehört das. Es gehört dazu, gegen alle politischen Verwerfungen darum zu wissen und dazu zu stehen, welches Zeugnis wir bestätigen und aufrichten. Das Zeugnis Israels. Es gehört dazu, Israel und alle Söhne und Töchter Abrahams zu segnen.
Dein NAME werde geheiligt. Das ist der Hinweis auf den, der Abraham Zukunft verheißen hat und der Israel erwählte zum Licht der Völker.
Dein NAME werde geheiligt. Das ist die freie und dankbare Hingabe des Lebens. Aus dem Hören der Verheißung und der befreienden Botschaft.
Wir haben jetzt mit Zeugenaussagen auf den Moment des Sterbens von Menschen geblickt. Es ist ein Moment, in dem Menschen ihr Leben bewähren wollen, soweit es ihnen noch möglich ist. Uns ist bewusst: Es geht dabei nicht nur um einen Moment. Es geht um das ganze Leben, um unsere Gedanken, Worte und Werke.Um unser Leben und um das Leben der anderen, an die wir gewiesen sind.
Ich glaube, Sie und ich ahnen um die Gefahren menschlicher Gratwanderungen. Gebe ich das Leben dankbar zurück? Das ich als Geschenk empfangen habe? Und da ich nicht für mich allein empfangen habe? Sondern gerade mit dem und für den, der mir fremd bleibt? Mit der und für die, die anders ist als ich?
Oder greife ich, oder greifen wir nach der Welt aus dem Willen unserer eigenen Hände. Zugunsten unserer eigenen Taschen? Und rufen Kreuzzüge aus, die Jesus Kreuz missachten? Und erklären Heilige Kriege, durch die Gottes NAME geschmäht wird?
Die Heiligung des NAMENS, das ist der Eifer um die Ehre Gottes. Eifer,das ist der ganze Einsatz mit Glauben und Leben. Aber Eifer, das kann auch die Verwechslung sein zwischen dem Willen des Vaters und meinem Willen.
Die Bibel selbst ist voll solcher Gratwanderungen. Mose, der Gottes Volk in die Bundesgemeinschaft des Dienstes für den EINEN führt, hat im Eifer für das Volk einen Mann erschlagen. Unter der Verkündigung des Elia, der zur Heiligung allein des NAMENS ruft, fällt Feuer vom Himmel und verzehrt die Soldaten, die ihn bedrohen. Jesus geißelt wie schon Jeremia den Missbrauch, dass aus dem Haus des Vaters, aus dem Tempel, eineRäuberhöhle wird. Ja, er geißelt und greift bei der Tempelreinigung zu einer Peitsche. Und ein Evangelist kommentiert mit einem Psalmwort, das nach der Lutherübersetzung lautet: Der Eifer um dein Haus hat mich gefressen. Zwei Jünger wollen wie Elia auf ein abweisendes samaritanisches Dorf Feuer vom Himmel fallen lassen und Petrus schlägt zur Ehre seines Herrn mit dem Schwert zu. Paulus bekennt von sich selbst, das er als Eiferer, als Zelot, Menschen verfolgte. Mit ihnen verfolgte er den Messias Gottes.
Sie brauchen jetzt keine Anspielungen auf heutige Geschehnisse. Offensichtlich haben wir Anlass genug zur Auslegung der Bibel im vollen Bewusstsein unserer Gegenwart. Offensichtlich haben wir allen Anlass zu solchem einfachen Gottesdienst, der aus dem Hinhören zu lobpreisendem und gelebtem Bekenntnis kommt.
Ich bin gern in der spannenden Stadt Köln zu Gast. Als Gast mit unserem Wort von der Heiligung des NAMENS kann ich aber nicht selbst wissen: Wie leben Evangelische in einer Stadt, die voll der Namen und Bilder von Heiligen ist? Das Viertel des Severin allerdings, in dem die Evangelische Kirche in einer Kartause sitzt, macht auf mich als Gast den Eindruck: Dort lässt es sich offenbar durchaus mit Gelassenheit leben.
Im Raum Gießen und Wetzlar, aus dem ich zu Ihnen komme, begegne ich manchmal noch einer älteren Generation, die bewegt ist von einem Eifer um die Heilige Schrift.
Eine Bibelwoche beschäftigte sich mit dem Eifer des Elia. Ein Kollege legt aus. Fünfzig Soldaten fordern Elia auf, zum König zu gehen. Zweimal sagt Elia: Wenn ich denn ein Gottesmann bin, so soll Feuer vom Himmel fallen. Zweimal frisst das Feuer fünfzig Soldaten. Beim dritten Mal bittet der Befehlshaber um sein Leben und damit auch um das Leben seiner Männer. Der Engel Adonais sagt zu Elia: Geh hinab mit ihm, fürchte dich nicht vor ihm! (2. Könige 1, 14). Elia tut das und diesmal fällt kein Feuer. Der Gott Israels hat mit seinem Wort an Elia weiteres Feuer, weitere Tote verhindert.
Was heißt das: Fürchte dich nicht vor ihm? Steckte hinter dem Feuereifer Furcht? Hatte Elia die verständliche Furcht vor dem Zeugnis mit seinem Wort und Leben? Dem Zeugnis vor diesen Menschen? Rief Elia also aus der Angst das Feuer? Aus der Angst, die sich Gottes im Glauben doch nicht gewiss ist?
Ein Gemeindeglied widerspricht an dieser Stelle deutlich. Ein Bibelleser hat sehr ernste Einwände gegen diese Fragen. Er wirft uns Pfarrern vor: Ihr lasst mit euren Fragen nicht das Wort Gottes stehen! Ihr verdreht es!
Für ihn kann es nur Gott gewesen sein, der seinem Diener mit Feuer vom Himmel half. Und an der Hilfe Gottes für seinen Diener kann nichts falsch gewesen sein!
Können Evangelische unter solchem Eifer um die Auslegung der Schrift miteinander leben? Ja. Sie können es. Sie können es dort, wo deutlich ist, dass dieser Eifer von dem anderen eben die Auslegung der Schrift erwartet. Wo dieser Eifer den anderen herausfordert und darin ernst nimmt.
Es gibt auch eine andere Haltung. Sie lässt erkennen: Ich kann den anderen mit seinem Anliegen nicht als Glaubenden annehmen. Vielleicht kommen wir zu solchen Haltungen, weil wir unseren eigenen Glauben nicht annehmen möchten als Geschenk des himmlischen Vaters. Weil wir ihn so leicht verwechseln mit unserer ängstlichen Selbstbehauptung. Und die wollen wir nicht loslassen. Dann können wir dem anderen seinen Glauben nicht glauben. Und wir können uns auch unseren Glauben nicht glauben. Weil wir Gott nicht seine Treue glauben.
Dein NAME werde geheiligt! Dass Jesus uns so zu beten lehrt, ist in Wahrheit ein großes Geschenk. Dahinter steht doch: Gott begegnet auch uns in seinem NAMEN. Nicht mit einem beliebigen Namen, wie ihn alle Gottheiten haben können. Nein, mit diesem NAMEN, den seine Werke auslegen. Den seine Geschichte auslegt. Den er selbst auslegt als Vater Israels und als unser Vater.
Gott hat seinen NAMEN auf Jesus Christus gelegt, damit wir im Leben und Sterben, in Auferstehen und Kommen Jesu Christi ihm gehören. Durch Wort und Geist, die Glauben wecken. In der Gemeinschaft mit Christus und der Gemeinschaft miteinander durch Taufe und Abendmahl. Wir gehören ihm, so gewiss wir Zeichen und Siegel des Wassers erfahren. So gewiss wir Brot und Wein schmecken.
In Christus kommen Segen und Verheißung an Abraham zu uns. In Christus empfangen wir den Geist des Gott Israels. Wir werden Abrahams Kinder. Wir werden Gottes Kinder. Wir werden Erben (vgl. Galater 3, 14.29).
Gott, der auch mich bei meinem Namen ruft, macht mich zu einem Hörenden. In Christus meint und bewegt er mich. Er bewegt mich, ihm und seiner Weisung nachzugehen. Auf der Spur der Heiligung des NAMENS.
Gott, der sich mit seinem NAMEN vorstellt, will bei seinem NAMEN angerufen sein. Auch er hört. Einer, den wir anrufen dürfen, einer auf wen wir hören können, der bekommt für uns ein Antlitz. Gottes Antlitz, gezeichnet durch seine Geschichte bis in das Antlitz Christi. Manchmal auch bis in das Antlitz von Menschen, in denen wir in aller Vorsicht und Begrenzung Christus erkennen.
Der NAME sagt biblisch klarer, was rechtverstanden auch das schwächere moderne Wort Person sagen will. Mit seinem NAMEN, um seines NAMENS willen, schenkt Gott uns die Teilhabe in seinem Bund. Im Bund des Mitgehens und Nachgehens. Im Bund des ergehenden Worts und des Hörens auf das Wort. Im Bund der Verheißung und des Gebots.
Ja. Es wird so sein, dass einem Menschen im Sterben höchstens bleibt, einen Finger zu heben. Dass einem Menschen in der Erniedrigung, die vernichten will, nichts bleibt, als noch mit dem Finger zum Himmel zu weisen. Aber er gibt damit Rechenschaft seiner Hoffnung. Vielleicht sogar vor menschlichen Zeugen. Er bekennt sich damit zu Gott und zur Heiligung seines NAMENS. Als Anfang und als Ziel all unseres Tuns. Er gibt sich und die Welt damit in die Hand des Vaters, der uns hält.
So gewiss es Gott selbst ist, der kommt.
Amen.
(1) Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg (Hg): Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen
Militärgerichtshof Nürnberg. 14. November 1945 – 1. Oktober 1946. Amtlicher Text in deutscher Sprache. Bd. 19, 568f;
(2) Robert Caspar, Der Monotheismus des Islams und seine bleibende Bedeutung, in: concilium (D) 21, 1985, 46-54, 47.