Aktuelles
Aus den Landeskirchen >>>
Aus den Gemeinden >>>
Aus dem Reformierten Bund >>>
Kolumne >>>
from... - die reformierte App
Newsletter
Wir auf Facebook
Ein Verlust für Europa
Mittwochskolumne von Paul Oppenheim
Bei der einen oder anderen Talkshow-Moderatorin hört es sich letztens beinahe wie späte Reue an. War es vielleicht doch keine so gute Idee, sich Merkel wegzuwünschen? Diejenigen, die den Blick nur auf Deutschland richten, ficht es weniger an, dass Angela Merkel ihren Rückzug angekündigt hat. Sie finden es unterhaltsam, über ihre Nachfolge zu spekulieren und haben ihren Spaß am Gerangel um die Spitzenposten der Bundespolitik.
Blicken wir aber über den nationalen Tellerrand, dann wird uns deutlich, was der Weggang Angela Merkels für die Zukunft Europas und sogar für die internationale Politik bedeutet. Da kommt es nämlich wirklich auf ihre Person an. Keine deutsche Persönlichkeit kann ihren Platz einnehmen, weil sich ihre Autorität daraus ableitet, dass sie sich in so vielen Krisen bewährt hat. Ihre Erfahrung, Kompetenz und Verlässlichkeit tragen ihr Respekt ein. Beim Friedensforum in Paris anlässlich der Beendigung des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren, erwies ihr Präsident Macron die Ehre, die Hauptansprache zu halten. Sie ist zum Symbol für die Verlässlichkeit Deutschlands und für die Stabilität Europas geworden. Ein Beobachter meinte zu recht: Sie sei bereits in die Rolle des „elder Statesman“ getreten.
Wenn sie geht, hinterlässt sie ein Vakuum, das viel Unsicherheit mit sich bringt, verlorene Jahre für Europa, verlorene Jahre im Gegenüber zu Amerika. Kein deutscher Politiker, keine deutsche Politikerin wird in absehbarer Zeit auf der europäischen oder internationalen Bühne ihre Rolle übernehmen können. Bestenfalls könnte es Macron gelingen, die Lücke zu füllen, wahrscheinlicher ist allerdings, dass sich die EU jahrelang selbst zerfleischen und schlimmsten Falls auch an ihren Gegensätzen zerbrechen wird. Der Weggang Merkels ist und bleibt vor allem ein Sieg derer, die die Europäische Union mit Leidenschaft bekämpfen.
Es stimmt einen wehmütig, wenn man bedenkt, dass der einzige deutsche Politiker, der sie auf der europäischen Bühne hätte beerben können, sich selbst ins politische Abseits manövriert hat. Aber vielleicht wird es in der Nach-Merkel-Ära für Martin Schulz doch noch eine zweite Chance geben?
Paul Oppenheim