Heidelberger Katechismus Frage ...
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Die 129 Fragen des Heidelberger Katechismus - ohne die Antworten!
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1. Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?

2. Was musst du wissen, damit du in diesem Trost selig leben und sterben kannst?

3. Woher erkennst du dein Elend?

4. Was fordert denn Gottes Gesetz von uns?

5. Kannst du das alles vollkommen halten?

6. Hat denn Gott den Menschen so böse und verkehrt erschaffen?

7. Woher kommt denn diese böse und verkehrte Art des Menschen?

8. Sind wir aber so böse und verkehrt, dass wir ganz und gar unfähig sind zu irgendeinem Guten und geneigt zu allem Bösen?

9. Tut denn Gott dem Menschen nicht Unrecht, wenn er in seinem Gesetz etwas fordert, was der Mensch nicht tun kann?

10. Will Gott diesen Ungehorsam ungestraft lassen?

11. Ist denn Gott nicht auch barmherzig?

12. Wenn wir also nach dem gerechten Urteil Gottes schon jetzt und ewig Strafe verdient haben, wie können wir dieser Strafe entgehen und wieder Gottes Gnade erlangen?

13. Können wir aber selbst für unsere Schuld bezahlen?

14. Kann aber irgendein Geschöpf für uns bezahlen?

15. Was für einen Mittler und Erlöser müssen wir denn suchen?

16. Warum muss er ein wahrer und gerechter Mensch sein?

17. Warum muss er zugleich wahrer Gott sein?

18. Wer ist denn dieser Mittler, der zugleich wahrer Gott und ein wahrer, gerechter Mensch ist?

19. Woher weißt du das?

20. Werden denn alle Menschen wieder durch Christus gerettet, so wie sie durch Adam verloren gegangen sind?

21. Was ist wahrer Glaube?

22. Was ist für einen Christen notwendig zu glauben?

23. Wie lautet dieses Glaubensbekenntnis?

24. Wie wird das Glaubensbekenntnis eingeteilt?

25. Warum nennst du denn drei: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wo doch Gott nur einer ist?

26. Was glaubst du, wenn du sprichst: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde“?

27. Was verstehst du unter der Vorsehung Gottes?

28. Was nützt uns die Erkenntnis der Schöpfung und Vorsehung Gottes?

29. Warum wird der Sohn Gottes Jesus, das heißt „Heiland“ genannt?

30. Glauben denn auch die an den einzigen Heiland Jesus, die Heil und Seligkeit bei den Heiligen, bei sich selbst oder anderswo suchen?

31. Warum wird er Christus, das heißt „Gesalbter“ genannt?

32. Warum wirst aber du ein Christ genannt?

33. Warum heißt Jesus Christus „Gottes eingeborener Sohn“, da doch auch wir Kinder Gottes sind?

34. Warum nennst du ihn „unseren Herrn“?

35. Was bedeutet: „Empfangen durch den heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“?

36. Was nützt es dir, dass er durch den heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren ist?

37. Was verstehst du unter dem Wort „gelitten“?

38. Warum hat er unter dem Richter Pontius Pilatus gelitten?

39. Bedeutet sein Tod am Kreuz mehr, als wenn er eines anderen Todes gestorben wäre?

40. Warum hat Christus den Tod erleiden müssen?

41. Warum ist er begraben worden?

42. Warum müssen wir noch sterben, obwohl Christus für uns gestorben ist?

43. Welchen weiteren Nutzen haben wir aus Opfer und Tod Christi am Kreuz?

44. Warum folgt „abgestiegen zu der Hölle“?

45. Was nützt uns die Auferstehung Christi?

46. Wie verstehst du, dass es heißt „aufgefahren in den Himmel“?

47. Ist denn Christus nicht bei uns bis ans Ende der Welt, wie er uns verheißen hat?

48. Werden aber auf diese Weise nicht Gottheit und Menschheit in Christus voneinander getrennt, wenn er nach seiner menschlichen Natur nicht überall ist, wo er nach seiner Gottheit ist?

49. Was nützt uns die Himmelfahrt Christi?

50. Warum wird hinzugefügt „er sitzt zur Rechten Gottes“?

51. Was nützt uns diese Herrlichkeit unseres Hauptes Christus?

52. Was tröstet dich die Wiederkunft Christi, „zu richten die Lebenden und die Toten“?

53. Was glaubst du vom heiligen Geist?

54. Was glaubst du von der „heiligen allgemeinen christlichen Kirche“?

55. Was verstehst du unter der „Gemeinschaft der Heiligen“?

56. Was glaubst du von der „Vergebung der Sünden“?

57. Was tröstet dich die „Auferstehung der Toten“?

58. Was tröstet dich die Verheißung des ewigen Lebens?

59. Was hilft es dir aber nun, wenn du das alles glaubst?

60. Wie bist du gerecht vor Gott?

61. Warum sagst du, dass du allein durch den Glauben gerecht bist?

62. Warum können denn unsere guten Werke uns nicht ganz oder teilweise vor Gott gerecht machen?

63. Verdienen aber unsere guten Werke nichts, obwohl Gott sie doch in diesem und dem zukünftigen Leben belohnen will?

64. Macht aber diese Lehre die Menschen nicht leichtfertig und gewissenlos?

65. Wenn nun allein der Glaube uns Anteil an Christus und allen seinen Wohltaten gibt, woher kommt solcher Glaube?

66. Was sind Sakramente?

67. Sollen denn beide, Wort und Sakrament, unseren Glauben auf das Opfer Jesu Christi am Kreuz als den einzigen Grund unserer Seligkeit hinweisen?

68. Wieviel Sakramente hat Christus im Neuen Testament eingesetzt?

69. Wie wirst du in der heiligen Taufe erinnert und gewiss gemacht, dass das einmalige Opfer Christi am Kreuz dir zugut kommt?

70. Was heißt, mit dem Blut und Geist Christi gewaschen sein?

71. Wo hat Christus verheißen, dass wir so gewiss mit seinem Blut und Geist wie mit dem Taufwasser gewaschen sind?

72. Ist denn das äußerliche Wasserbad selbst die Abwaschung der Sünden?

73. Warum nennt denn der Heilige Geist die Taufe das „Bad der Wiedergeburt“ und die „Abwaschung der Sünden“?

74. Soll man auch die kleinen Kinder taufen?

75. Wie wirst du im heiligen Abendmahl erinnert und gewiss gemacht, dass du an dem einzigen Opfer Christi am Kreuz und allen seinen Gaben Anteil hast?

76. Was heißt, den gekreuzigten Leib Christi essen und sein vergossenes Blut trinken?

77. Wo hat Christus verheißen, dass er die Gläubigen so gewiss mit seinem Leib und Blut speist und tränkt, wie sie von diesem gebrochenen Brot essen und von diesem Kelch trinken?

78. Werden denn Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt?

79. Warum nennt denn Christus das Brot seinen Leib und den Kelch sein Blut oder nennt den Kelch den neuen Bund in seinem Blut, und warum spricht Paulus von der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Jesu Christi?

80. Was ist für ein Unterschied zwischen dem Abendmahl des Herrn und der päpstlichen Messe?

81. Welche Menschen sollen zum Tisch des Herrn kommen?

82. Dürfen aber zum heiligen Abendmahl auch solche zugelassen werden, die sich in ihrem Bekenntnis und Leben als Ungläubige und Gottlose erweisen?

83. Was ist das Amt der Schlüssel?

84. Wie wird das Himmelreich durch die Predigt des heiligen Evangeliums auf- und zugeschlossen?

85. Wie wird das Himmelreich durch die christliche Bußzucht zu- und aufgeschlossen?

86. Da wir nun aus unserm Elend ganz ohne unser Verdienst aus Gnade durch Christus erlöst sind, warum sollen wir gute Werke tun?

87. Können denn auch die selig werden, die sich von ihrem undankbaren, unbußfertigen Leben nicht zu Gott bekehren?

88. Worin besteht die wahrhaftige Buße oder Bekehrung des Menschen?

89. Was heißt Absterben des alten Menschen?

90. Was heißt Auferstehen des neuen Menschen?

91. Was sind denn gute Werke?

92. Wie lautet das Gesetz des HERRN?

93. Wie werden diese Gebote eingeteilt?

94. Was fordert der Herr im ersten Gebot?

95. Was ist Götzendienst?

96. Was will Gott im zweiten Gebot?

97. Darf man denn gar kein Bild machen?

98. Dürfen denn nicht die Bilder als „der Laien Bücher“ in den Kirchen geduldet werden?

99. Was will Gott im dritten Gebot?

100. Ist es denn eine so schwere Sünde, Gottes Namen mit Schwören und Fluchen zu lästern, dass Gott auch über die zürnt, die nicht alles tun, um es zu verhindern?

101. Darf man aber überhaupt bei dem Namen Gottes einen Eid schwören?

102. Darf man auch bei den Heiligen oder anderen Geschöpfen schwören?

103. Was will Gott im vierten Gebot?

104. Was will Gott im fünften Gebot?

105. Was will Gott im sechsten Gebot?

106. Redet denn dieses Gebot nur vom Töten?

107. Haben wir das Gebot schon erfüllt, wenn wir unseren Nächsten nicht töten?

108. Was will Gott im siebenten Gebot?

109. Verbietet Gott in diesem Gebot allein den Ehebruch?

110. Was verbietet Gott im achten Gebot?

111. Was gebietet dir aber Gott in diesem Gebot?

112. Was will Gott im neunten Gebot?

113. Was will Gott im zehnten Gebot?

114. Können aber die zu Gott Bekehrten diese Gebote vollkommen halten?

115. Warum lässt uns Gott denn die zehn Gebote so eindringlich predigen, wenn sie doch in diesem Leben niemand halten kann?

116. Warum ist den Christen das Gebet nötig?

117. Was gehört zu einem Gebet, damit es Gott gefällt und von ihm erhört wird?

118. Was hat uns Gott befohlen, von ihm zu erbitten?

119. Wie lautet dieses Gebet

120. Warum hat uns Christus befohlen, Gott so anzureden: „Unser Vater“?

121. Warum wird hinzugefügt: „im Himmel“?

122. Was bedeutet die erste Bitte: „Geheiligt werde dein Name“?

123. Was bedeutet die zweite Bitte: „Dein Reich komme“?

124. Was bedeutet die dritte Bitte: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“?

125. Was bedeutet die vierte Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns heute“?

126. Was bedeutet die fünfte Bitte: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“?

127. Was bedeutet die sechste Bitte: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“?

128. Wie beschließt du dieses Gebet: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“?

129. Was bedeutet das Wort: „Amen“?

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Frage 105 - 107

Predigt von Pastorin Bettina Rehbein, Göttingen

"Was will Gott im sechsten Gebot?"

Frage 105

Was will Gott im sechsten Gebot?

Ich soll meinen Nächsten
weder mit Gedanken
noch mit Worten oder Gebärden,
erst recht nicht mit der Tat,
auch nicht mit Hilfe anderer,
schmähen, hassen, beleidigen oder töten.
Ich soll vielmehr
alle Rachgier ablegen,
mir auch nicht selbst Schaden zufügen
oder mich mutwillig in Gefahr begeben.
Darum hat auch der Staat den Auftrag,
durch seine Rechtsordnung
das Töten zu verhindern.

Frage 106

Redet denn dieses Gebot nur vom Töten?

Nein.
Gott will uns
durch das Verbot des Tötens lehren,
dass er schon die Wurzel des Tötens,
nämlich Neid, Hass, Zorn und Rachgier
hasst und dass alles für ihn
heimliches Töten ist.

Frage 107

Haben wir das Gebot schon erfüllt,
wenn wir unseren Nächsten nicht töten?

Nein.
Indem Gott Neid, Hass und Zorn verdammt,
will er, dass wir unseren Nächsten
lieben wie uns selbst,
ihm Geduld, Frieden, Sanftmut,
Barmherzigkeit und
Freundlichkeit erweisen,
Schaden, so viel uns möglich, 
von ihm abwenden,
und auch unseren Feinden Gutes tun.
 

Liebe Gemeinde,

„Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?“ Dass ich mit Leib und Seele, im Leben und im Sterben nicht mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre.“ Frage und Antwort 1 des Heidelbergers sind vielen von uns vertraut. Wir kennen auch den schon hier einsetzenden inneren Widerstand: Stimmt das denn? Christus als einziger Trost? Wo doch schon im Kleinkindalter die erste Person, an die du dich gewendet hast, wenn du dein Knie aufgeschlagen hattest, nicht Christus, sondern die Mutter war. Oder wenn die nicht vorhanden, der Vater, eine Erzieherin oder der beste Freund.
Trotzdem:. Frage und Antwort bleibt, denn es geht darum, worauf wir uns wirklich und immer verlassen können, was uns stärkt, worauf wir vertrauen können. Um das zu erklären braucht der Heidelberger 129 Fragen in drei Teilen:

1. Teil: Warum brauche ich überhaupt Trost? Antwort: Weil ich im Elend bin/immer wieder auf mich kein Verlass ist.
2. Teil: Wie wirst du getröstet? Antwort: Durch den Gott, der mich aus diesem Elend erlöst.
3. Teil: Was bewirkt dieser Trost? Antwort: Dass ich diesem Gott dankbar bin und meine Dankbarkeit meinem Nächsten zeige.

Bleiben wir bei diesem dritten Teil .Hier geht es ums menschliche Handeln – ganz konkret. Ich persönlich finde diesen Abschnitt, in dem die 10 Gebote und das Unser Vater als Grundlage für unser Handeln ausgelegt werden, besonders hilfreich. Wir erfahren, wie wir aus der inneren Dankbarkeit gegenüber Gottes Zuwendung zu uns heraus, selber erlöst und befreit werden, zum Handeln zu Gunsten unserer Mitmenschen. Am Beispiel der Fragen 105-107, wollen wir der uns gegebenen Freiheit nachspüren und erfahren, was das Angebot des Katechismus uns heute zum sechsten Gebot: „Du sollst nicht töten,“ sagen kann.

Hören wir HK 105-107 (bitte wer mag, Text aufschlagen im Gesangbuch,S.1649)

Das Tötungsverbot wird in der uns vertrauten Übersetzung Martin Luthers zugrunde gelegt. Im hebräischen Urtext aus dem Dekalog, der Tafel mit den 10 Geboten im 2. Buch Mose steht wörtlich: „Morde nicht.“ Und bezieht sich folglich zunächst auf den bewusst vollzogenen Mord in Abgrenzung zum Totschlag aus Affekt. Das Gebot in dieser Form lässt Spielraum und ist auch genauso immer wieder ausgenutzt worden, um andere Formen des Tötens, z.B. im Krieg, zu rechtfertigen. Das Gebot wirft eine Vielzahl ethischer Fragen auf, die, so wie wir sie heute verstehen, nur teilweise in biblischer Zeit im Blick waren: Wie ist es mit der Todesstrafe? Wie beurteilen wir Schwangerschaftsabbruch? Was sagen wir als Christen zu aktiver Sterbehilfe?

Sowohl im lutherischen Katechismus als auch in unserem Lehrbuch erfahren wir jedoch durch die Bibelstellen, die am Rande aufgeführt werden – nebenbei gesagt will uns der Heidelberger nämlich zum Bibellesen anregen - dass hier die Erläuterung sich an der Auslegung Jesu orientiert.
In der Lesung aus der Bergpredigt, die wir vorhin gehört haben, ist dies deutlich geworden:

Jesus radikalisiert die Gebote. Radikalisieren heißt wörtlich: Auf die Wurzel zurückführen. Und genau das macht Jesus, indem er nach der Wurzel von Mord und Tötungsabsicht fragt.

Mord, so weiß Jesus, wird vorbereitet in Plänen, Motiven, hasserfüllten Gedanken und gekränkten Gefühlen.

Der Heidelberger folgt dieser Spur Jesu und erklärt: „Du sollst nicht töten“ – das fängt viel früher an. Es geht nicht erst um die vollendete Tat, es muss nicht gleich Blut geflossen und Menschenleben ausgelöscht sein.

Sondern – wir verstoßen auch gegen das Gebot, wenn wir unseren Nächsten in Gedanken, in Worten oder Gebärden, selbst oder mit Hilfe anderer schmähen, hassen, beleidigen oder töten.
Es reicht also z.B. „Rufmord.“

Szenen aus Klassenzimmern, Schulhöfen oder Arbeitskollegien fallen mir dazu ein: „Wenn Blicke töten könnten“, sagen wir, oder „jemanden mit Blicken durchbohren“. Längst wissen wir durch die Kommunikationspsychologie, dass die Mimik und Gestik, die „nonverbale Kommunikation“ noch stärker wirkt als die Verbale.
Und Kinder emotional gestörter Eltern kennen die Erfahrung: Wenn deine Mutter dir etwas Positives sagt, ihre Augen und ihr Körper aber eine ganz andere Sprache sprechen, dann bewirkt das eine tiefe Verunsicherung. Jeder von uns spürt genau, bin ich im Blick des anderen aufgehoben, werde ich durch den Blick meines Gegenübers größer und schöner oder klein und unansehnlich.

Nochmal zum Schulhof:
Jugendliche brauchen keine Worte, um anderen die kalte Schulter zu zeigen. Da reichen Blicke der Vernichtung und Herabwürdigung, um ein zusammengeschnürtes Herz zu bekommen und genau zu wissen: Jetzt bist du „out“, jetzt bist du „Opfer“, jetzt bist du für die anderen „gestorben“. Ab da ist es nur noch ein kurzer Weg zu Schimpfworten, Beleidigungen und Ausgrenzung. Schlimm wird solches Mobbing neuerdings zunehmend durch die Verbreitung im Internet, facebook und SchülerVZ, wo den anderen bloß stellende Worte und Bilder in die breite Öffentlichkeit gestellt werden. Neueren Studien zufolge soll dies schon junge Menschen in den Selbstmord getrieben haben.

Auch jüdische Ausleger betonen den Zusammenhang von öffentlichen Schmähungen und dem Tötungsverbot. So heißt es in der Mischna: „Jeder, der das Angesicht seines Nächsten öffentlich erbleichen lässt (z.B. durch kränkende Worte), ist wie ein Blutvergießer. Er (Jitchak) antwortete: Du hast recht geredet; denn ich sehe an ihm, dass die Röte geht und die‚ Blässe kommt.“

Aus Gebärden und Gedanken können aggressive, den anderen schädigende Taten werden. Wenn wir düstere Gedanken haben, verselbständigen diese sich regelrecht in uns und bringen den Kreislauf in Gang der letztlich zum Töten führen kann.

Sehr anschaulich erzählt dies die „Hammer-Geschichte“ von Paul Watzlawick in seinem Buch: „Anleitung zum Unglücklichsein“.
Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, aber nicht den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt der Mann, hinüberzugehen, und ihn auszuborgen. Doch da kommen ihm Zweifel: Was, wenn der Nachbar den Hammer nicht leihen will? gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Vielleicht hat er die Eile nur vorgeschützt und er hatte etwas gegen mich. Und wenn! Ich habe ihm nichts getan. Der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Menschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute, wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich auch noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß, weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht`s mir aber wirklich.- Und so stürmte er hinüber, läutete, der Nachbar öffnete, doch bevor er „Guten Tag“ sagen kann, schreit ihn unser Mann an:“Behalten Sie doch Ihren Hammer, Sie Rüpel !!!“

Interessant fand ich die Feststellung, dass in unserem Strafgesetzbuch die Auslegung des § 185, in dem es um die Straftat der Beleidigung geht, so klingt, als habe man dort unseren Heidelberger als Vorlage gehabt. Dort heißt es: „Ein rechtswidriger Angriff auf die Ehre eines anderen, in dem vorsätzlich die Missachtung kundgetan wird, ist strafbar.“ In der Auslegung wird erläutert: Die Art der beleidigenden Handlung ist dabei unerheblich. Sie kann schriftlich, verbal, durch Körpersprache oder sogar mittels eines körperlichen Angriffes erfolgen.“

Wer den Krieg vermeiden will muss den Frieden vorbereiten, heißt es. Und Friedfertigkeit lernen wir, indem wir unseren Gedanken, unseren Worten, den Argumenten und „Totschlagargumenten“, den Urteilen und Vorurteilen in unserem Herzen auf die Spur kommen.

Wichtig aber, und nun folgen wir weiter dem Heidelberger ist es, nicht nur anderen keinen Schaden zuzufügen, sondern auch nicht sich selbst!
Woran denken Sie, liebe Schwester, lieber Bruder? Denken Sie zuerst an „Selbsttötung“, an „Selbstmord“? Oder denken Sie an Ihren Bekannten, der sich mit seinen 50 Zigaretten pro Tag langsam das Leben nimmt oder an sich selbst, weil Sie ungesund leben, über Ihre Grenzen gehen – beruflich oder weil Sie Extremsport unter Lebensgefahr betreiben? So oder so: Der Heidelberger macht uns aufmerksam darauf, dass unsere Grundhaltung „Ehrfurcht vor dem Leben“ sein soll. Ehrfurcht vor jedem Leben. Vor dem Leben der Tiere, deshalb sollte uns als Christen die Tierhaltung in Massenzucht mindestens unruhig machen. Vor dem Leben jedes Menschen.
Und eben auch: Ehrfurcht vor unserem eigenen Leben. Ich darf mir gesagt sein lassen: Überarbeite dich nicht bis zum Herzinfarkt. Bring dich nicht mutwillig in Gefahr! Das ist nicht nur ein Spruch für Mütter, die das ihren Motorradfahrenden oder Mountainbikenden Söhnen einschärfen. Das ist eine Mahnung an uns alle. Ein Hinweis auf unsre Gottebenbildlichkeit. Weil wir Gottes Ebenbild sind, tragen wir eine Verantwortung für unser Leben und das Leben aller Menschen. Denken wir mit 1. Kor. 6,19 daran: „Unser Leib ist ein Tempel des Heiligen Geistes!“

Bevor wir nun im letzen Teil zur positiven Zielrichtung der Auslegung des Katechismus kommen, überhören wir nicht die letzen Zeilen von Antwort 105:

Nicht, dass wir jetzt, typisch christlich, vorschnell die ganze Verantwortung dem Einzelnen überlassen: nein die ganze Gemeinschaft, vor allem auch der Staat hat den Auftrag durch seine Rechtsordnung das Töten zu verhindern!

Der Staat erfüllt das Gebot, wenn er Leben fördert, Schwergewicht legt auf Bildung, Förderunterricht schon in der Grundschule, Integrationskurse für Ausländer. Der Staat hat den Auftrag, das Töten schon im Vorfeld zu verhindern. Ganz konkret heißt das im Blick auf unsere uns lieb gewordenen Roma Brüder, die leider noch immer bei uns im Kirchenasyl sind: Der Staat hat zu prüfen, ob eine Abschiebung in den Kosovo erneut Ausgrenzung und damit den Entzug von Lebensmöglichkeiten, Ausbildung, Schule und weiteren Grundrechten zur Folge haben würde. Man kann auch Menschen töten, indem man ihnen ganz langsam die finanzielle Basis und damit die soziale Menschwürde nimmt.

Nun weiter:
Wie eigentlich können wir das Gebot erfüllen. Reicht es, wenn wir nicht als Mörder herumlaufen? So fragt überspitzt Frage 107. Nein, so die Antwort, das reicht nicht. Es reicht nicht die Negation. Es geht hier um Position. Das Gebot will uns helfen, dass wir unserem Nächsten mit Geduld, Frieden, Sanftmut, Barmherzigkeit und Freundlichkeit begegnen und vor allem Schaden von ihm abwenden und ihn in jeder Hinsicht fördern!

Zum Nicht-Töten gehört unsere Friedfertigkeit, gehört unsere Ehrfurcht vor dem Leben, vor jedem Leben! Wir erfüllen das Gebot, indem wir Leben immer da, wo es uns möglich ist, fördern und erhalten.

Liebe Gemeinde, jeder von uns hat dies bereits hundertfach erlebt: Wer Schaden abwendet und stattdessen fördert, der wird dabei glücklich. Wer Nachhilfe gibt und erlebt, wie der dir Anvertraute eine 3 schreibt statt einer 5, der ist glücklich.
Die Menschen, die unermüdlich ihre Kraft dafür eingesetzt haben, dass die Bergleute in Chile gerettet werden, erfüllen das Gebot, Leben zu erhalten. Die Gesichter und Szenen, die sie dabei erlebt haben, werden sie nie wieder vergessen.
Ja, wir wissen es längst – gute Nachricht für Kontaktfreudige und ehrenamtlich Engagierte: Menschen, die in vielen zwischenmenschlichen Bezügen leben, sich für das Wohlergehen anderer engagieren, leben länger!

Schaden abwenden und anderen helfen, jede und jeder kann dies tun Tag für Tag: Nächste stellen sich uns genug in den Weg. Diesen Teil des Gebotes können wir erfüllen, jeder nach Gaben und Möglichkeiten. Das Gebot will uns nicht quälen, sondern nur helfen, unsere Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen.

Schwieriger, liebe Gemeinde, finde ich es mit dem ersten Teil, dem Neid, den bösen Gedanken und Blicken, den viel zu schnell gesprochenen Worten. Erst vorgestern hatte ich mich über einen Nachbarn aus dem Mietshaus links so furchtbar geärgert. Und es war mir, obwohl ich gerade den Heidelberger und noch Gandhi und den Dalai Lama gelesen hatte, die auch sagen, dass es grundsätzlich um Herzenserziehung und Veränderung unserer Gedanken geht, nicht möglich, freundlich über meinen Nachbarn zu denken. Und der war doch in dem Moment wirklich blöd!

Spannend, dass mir in diesem Zusammenhang die englische Übersetzung des Gebotes „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Lev. 19,18) einfiel. Der „Nächste“ ist im Englischen nämlich tatsächlich der „neighbour“ (der Nachbar) : „You shall love your neighbour as yourself“

Mögen wir mit dem Heidelberger getröstet sein - darauf trauen, dass wirklich der Heilige Geist uns erneuert, uns Schritt für Schritt in unserem Herzen, an der Wurzel behandelt, bis uns der faule Zahn „Rache und Hass, Neid und Missgunst“ gezogen ist. Und wir in der Spur Jesu je länger je mehr an der Versöhnung arbeiten. Und wenn ich jetzt frage, was nützt mir der Heidelberger, dann kann ich sagen: Er nützt mir, weil ich mich nicht mehr selbstgerecht zurücklehne und mir sage: Ich hab ja noch nie getötet! Oh doch, das habe ich.
Er hilft mir zu mehr Aufmerksamkeit sowohl für meine Versäumnisse als auch für die Möglichkeiten, die mir vor die Füße gelegt sind und die ich ergreifen möchte und die ich ergreifen kann, weil der freie Gott mich dazu frei macht. Und dieser Gott will, wie es Calvin so schön sagt „mit diesem Gebot unsere Seele regieren.“
Amen

Gehalten im Oktober 2010 in der Ev-ref. Kirche Göttingen.