Heidelberger Katechismus Frage ...
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1. Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?

2. Was musst du wissen, damit du in diesem Trost selig leben und sterben kannst?

3. Woher erkennst du dein Elend?

4. Was fordert denn Gottes Gesetz von uns?

5. Kannst du das alles vollkommen halten?

6. Hat denn Gott den Menschen so böse und verkehrt erschaffen?

7. Woher kommt denn diese böse und verkehrte Art des Menschen?

8. Sind wir aber so böse und verkehrt, dass wir ganz und gar unfähig sind zu irgendeinem Guten und geneigt zu allem Bösen?

9. Tut denn Gott dem Menschen nicht Unrecht, wenn er in seinem Gesetz etwas fordert, was der Mensch nicht tun kann?

10. Will Gott diesen Ungehorsam ungestraft lassen?

11. Ist denn Gott nicht auch barmherzig?

12. Wenn wir also nach dem gerechten Urteil Gottes schon jetzt und ewig Strafe verdient haben, wie können wir dieser Strafe entgehen und wieder Gottes Gnade erlangen?

13. Können wir aber selbst für unsere Schuld bezahlen?

14. Kann aber irgendein Geschöpf für uns bezahlen?

15. Was für einen Mittler und Erlöser müssen wir denn suchen?

16. Warum muss er ein wahrer und gerechter Mensch sein?

17. Warum muss er zugleich wahrer Gott sein?

18. Wer ist denn dieser Mittler, der zugleich wahrer Gott und ein wahrer, gerechter Mensch ist?

19. Woher weißt du das?

20. Werden denn alle Menschen wieder durch Christus gerettet, so wie sie durch Adam verloren gegangen sind?

21. Was ist wahrer Glaube?

22. Was ist für einen Christen notwendig zu glauben?

23. Wie lautet dieses Glaubensbekenntnis?

24. Wie wird das Glaubensbekenntnis eingeteilt?

25. Warum nennst du denn drei: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wo doch Gott nur einer ist?

26. Was glaubst du, wenn du sprichst: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde“?

27. Was verstehst du unter der Vorsehung Gottes?

28. Was nützt uns die Erkenntnis der Schöpfung und Vorsehung Gottes?

29. Warum wird der Sohn Gottes Jesus, das heißt „Heiland“ genannt?

30. Glauben denn auch die an den einzigen Heiland Jesus, die Heil und Seligkeit bei den Heiligen, bei sich selbst oder anderswo suchen?

31. Warum wird er Christus, das heißt „Gesalbter“ genannt?

32. Warum wirst aber du ein Christ genannt?

33. Warum heißt Jesus Christus „Gottes eingeborener Sohn“, da doch auch wir Kinder Gottes sind?

34. Warum nennst du ihn „unseren Herrn“?

35. Was bedeutet: „Empfangen durch den heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“?

36. Was nützt es dir, dass er durch den heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren ist?

37. Was verstehst du unter dem Wort „gelitten“?

38. Warum hat er unter dem Richter Pontius Pilatus gelitten?

39. Bedeutet sein Tod am Kreuz mehr, als wenn er eines anderen Todes gestorben wäre?

40. Warum hat Christus den Tod erleiden müssen?

41. Warum ist er begraben worden?

42. Warum müssen wir noch sterben, obwohl Christus für uns gestorben ist?

43. Welchen weiteren Nutzen haben wir aus Opfer und Tod Christi am Kreuz?

44. Warum folgt „abgestiegen zu der Hölle“?

45. Was nützt uns die Auferstehung Christi?

46. Wie verstehst du, dass es heißt „aufgefahren in den Himmel“?

47. Ist denn Christus nicht bei uns bis ans Ende der Welt, wie er uns verheißen hat?

48. Werden aber auf diese Weise nicht Gottheit und Menschheit in Christus voneinander getrennt, wenn er nach seiner menschlichen Natur nicht überall ist, wo er nach seiner Gottheit ist?

49. Was nützt uns die Himmelfahrt Christi?

50. Warum wird hinzugefügt „er sitzt zur Rechten Gottes“?

51. Was nützt uns diese Herrlichkeit unseres Hauptes Christus?

52. Was tröstet dich die Wiederkunft Christi, „zu richten die Lebenden und die Toten“?

53. Was glaubst du vom heiligen Geist?

54. Was glaubst du von der „heiligen allgemeinen christlichen Kirche“?

55. Was verstehst du unter der „Gemeinschaft der Heiligen“?

56. Was glaubst du von der „Vergebung der Sünden“?

57. Was tröstet dich die „Auferstehung der Toten“?

58. Was tröstet dich die Verheißung des ewigen Lebens?

59. Was hilft es dir aber nun, wenn du das alles glaubst?

60. Wie bist du gerecht vor Gott?

61. Warum sagst du, dass du allein durch den Glauben gerecht bist?

62. Warum können denn unsere guten Werke uns nicht ganz oder teilweise vor Gott gerecht machen?

63. Verdienen aber unsere guten Werke nichts, obwohl Gott sie doch in diesem und dem zukünftigen Leben belohnen will?

64. Macht aber diese Lehre die Menschen nicht leichtfertig und gewissenlos?

65. Wenn nun allein der Glaube uns Anteil an Christus und allen seinen Wohltaten gibt, woher kommt solcher Glaube?

66. Was sind Sakramente?

67. Sollen denn beide, Wort und Sakrament, unseren Glauben auf das Opfer Jesu Christi am Kreuz als den einzigen Grund unserer Seligkeit hinweisen?

68. Wieviel Sakramente hat Christus im Neuen Testament eingesetzt?

69. Wie wirst du in der heiligen Taufe erinnert und gewiss gemacht, dass das einmalige Opfer Christi am Kreuz dir zugut kommt?

70. Was heißt, mit dem Blut und Geist Christi gewaschen sein?

71. Wo hat Christus verheißen, dass wir so gewiss mit seinem Blut und Geist wie mit dem Taufwasser gewaschen sind?

72. Ist denn das äußerliche Wasserbad selbst die Abwaschung der Sünden?

73. Warum nennt denn der Heilige Geist die Taufe das „Bad der Wiedergeburt“ und die „Abwaschung der Sünden“?

74. Soll man auch die kleinen Kinder taufen?

75. Wie wirst du im heiligen Abendmahl erinnert und gewiss gemacht, dass du an dem einzigen Opfer Christi am Kreuz und allen seinen Gaben Anteil hast?

76. Was heißt, den gekreuzigten Leib Christi essen und sein vergossenes Blut trinken?

77. Wo hat Christus verheißen, dass er die Gläubigen so gewiss mit seinem Leib und Blut speist und tränkt, wie sie von diesem gebrochenen Brot essen und von diesem Kelch trinken?

78. Werden denn Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt?

79. Warum nennt denn Christus das Brot seinen Leib und den Kelch sein Blut oder nennt den Kelch den neuen Bund in seinem Blut, und warum spricht Paulus von der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Jesu Christi?

80. Was ist für ein Unterschied zwischen dem Abendmahl des Herrn und der päpstlichen Messe?

81. Welche Menschen sollen zum Tisch des Herrn kommen?

82. Dürfen aber zum heiligen Abendmahl auch solche zugelassen werden, die sich in ihrem Bekenntnis und Leben als Ungläubige und Gottlose erweisen?

83. Was ist das Amt der Schlüssel?

84. Wie wird das Himmelreich durch die Predigt des heiligen Evangeliums auf- und zugeschlossen?

85. Wie wird das Himmelreich durch die christliche Bußzucht zu- und aufgeschlossen?

86. Da wir nun aus unserm Elend ganz ohne unser Verdienst aus Gnade durch Christus erlöst sind, warum sollen wir gute Werke tun?

87. Können denn auch die selig werden, die sich von ihrem undankbaren, unbußfertigen Leben nicht zu Gott bekehren?

88. Worin besteht die wahrhaftige Buße oder Bekehrung des Menschen?

89. Was heißt Absterben des alten Menschen?

90. Was heißt Auferstehen des neuen Menschen?

91. Was sind denn gute Werke?

92. Wie lautet das Gesetz des HERRN?

93. Wie werden diese Gebote eingeteilt?

94. Was fordert der Herr im ersten Gebot?

95. Was ist Götzendienst?

96. Was will Gott im zweiten Gebot?

97. Darf man denn gar kein Bild machen?

98. Dürfen denn nicht die Bilder als „der Laien Bücher“ in den Kirchen geduldet werden?

99. Was will Gott im dritten Gebot?

100. Ist es denn eine so schwere Sünde, Gottes Namen mit Schwören und Fluchen zu lästern, dass Gott auch über die zürnt, die nicht alles tun, um es zu verhindern?

101. Darf man aber überhaupt bei dem Namen Gottes einen Eid schwören?

102. Darf man auch bei den Heiligen oder anderen Geschöpfen schwören?

103. Was will Gott im vierten Gebot?

104. Was will Gott im fünften Gebot?

105. Was will Gott im sechsten Gebot?

106. Redet denn dieses Gebot nur vom Töten?

107. Haben wir das Gebot schon erfüllt, wenn wir unseren Nächsten nicht töten?

108. Was will Gott im siebenten Gebot?

109. Verbietet Gott in diesem Gebot allein den Ehebruch?

110. Was verbietet Gott im achten Gebot?

111. Was gebietet dir aber Gott in diesem Gebot?

112. Was will Gott im neunten Gebot?

113. Was will Gott im zehnten Gebot?

114. Können aber die zu Gott Bekehrten diese Gebote vollkommen halten?

115. Warum lässt uns Gott denn die zehn Gebote so eindringlich predigen, wenn sie doch in diesem Leben niemand halten kann?

116. Warum ist den Christen das Gebet nötig?

117. Was gehört zu einem Gebet, damit es Gott gefällt und von ihm erhört wird?

118. Was hat uns Gott befohlen, von ihm zu erbitten?

119. Wie lautet dieses Gebet

120. Warum hat uns Christus befohlen, Gott so anzureden: „Unser Vater“?

121. Warum wird hinzugefügt: „im Himmel“?

122. Was bedeutet die erste Bitte: „Geheiligt werde dein Name“?

123. Was bedeutet die zweite Bitte: „Dein Reich komme“?

124. Was bedeutet die dritte Bitte: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“?

125. Was bedeutet die vierte Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns heute“?

126. Was bedeutet die fünfte Bitte: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“?

127. Was bedeutet die sechste Bitte: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“?

128. Wie beschließt du dieses Gebet: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“?

129. Was bedeutet das Wort: „Amen“?

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Frage 123

Predigt von Ältestenpredigerin Dr. Gudrun Kuhn, Nürnberg

"Was bedeutet die zweite Bitte: ‘Dein Reich komme’?

Damit beten wir:
Regiere uns durch dein Wort und deinen Geist,
dass wir dir je länger, je mehr gehorchen. 
Erhalte und mehre deine Kirche 
und zerstöre die Werke des Teufels
und alle Gewalt, die sich gegen dich erhebt,
und alle Machenschaften,
die gegen dein heiliges Wort erdacht werden, 
bis die Vollendung deines Reiches kommt,
in dem du alles in allen sein wirst. 

Wozu beten?
- so fragt Kurt Marti, der Dichterpfarrer, in einem seiner zuletzt veröffentlichten Gedichte: Wozu beten? Damit uns nichts selbstverständlich wird. Selbstverständlich ist nur das Nichts.

Wozu beten? So frage ich auch oft. Wozu beten, wenn in Wirklichkeit doch alles selbst­ver­ständ­lich ist und bleibt, nicht nur das Nichts. Selbstverständlich und unabänderlich - mit und ohne Gebet. Wozu beten?
Wozu beten wir Sonntag für Sonntag: Dein Reich komme. Wie gut gefällt mir da Martin Lu­thers Auslegung im Kleinen Katechismus: Gottes Reich kommt wohl ohne un­ser Gebet von sich selbst. Selbstverständlich!
Ja, sage ich mir, wenn ich ehrlich bin: Es kommt, wie es kommt. Ob das, was kommt, aller­dings den Namen Gottes Reich verdient, wage ich zu bezweifeln. Es kommt, wie es kommt. Und mein an Schizophrenie erkrankter Sohn wird nie gesund wer­den. Das Him­mel­reich, in dem Jesus Dämonen aus­treibt und Besessene heilt, es ist zu mir nicht nahe her­be­i­ge­kom­men. Und es wird nicht herbei­kommen.
Wozu beten? Was rät mir der Heidelberger Katechismus?
Dein Reich komme,
das ist,
regiere uns also durch dein Wort und Geist,
dass wir uns dir je länger je mehr
unterwerfen -
Die revidierte Fassung setzt statt unterwerfen gehorchen. Als ob das notwendig wäre! Einem Reich, einer Herrschaft, ist man untertan. Klar unterwerfe ich mich den staat­li­chen Organen, die die vom Parlament erlassenen Gesetze durchsetzen. Selbst­ver­ständ­lich. Klar gehorche ich dem Schicksal, das mich zwingt, Krankheiten hin­zu­neh­men. Selbst­ver­ständ­lich.
Aber ich gebe zu: Der Katechismus redet nicht vom Schicksal. Der Katechismus redet nicht von Gesetzen. Er redet von Wort und Geist, durch die uns Gott regieren möge. Bei Luther heißt es: wir bitten, dass es - das Reich Gottes - auch zu uns komme. Gemeint ist wohl das Gleiche: Um das Selbstverständliche müssen wir nicht bitten. Das Nichts, das sich auftut, wenn wir nach dem Sinn unserer Geschicke fragen, es ist selbst­ver­ständ­lich. Das Schicksal brauchen wir um nichts zu bitten.
Die Spannung der Bitte um Gottes Reich entsteht anders. Sie tut sich auf zwischen dem Dein - Dein Reich - und dem uns - komme zu uns. Im Zentrum der Auslegung des Katechismus stehen deswegen nicht Unterwerfung und Gehorsam. Im Zentrum steht, dass wir Trost und Beistand von Gottes Wort und Geist brauchen, um uns IHM unterworfen zu wissen. IHM – Gott – und nicht einem anonymen Schicksal.
Aber macht das einen Unterschied? Die Antwort des gesunden Menschenverstands lautet: Nein. Ist nicht ohne Gottesglaube alles viel einfacher? Wenn es Gott in meinem Leben nicht gä­be, müsste ich ihm auch keine Vorwürfe machen: Warum ist es in deiner Schöpfung mög­lich, dass die Chemie in einem Gehirn völlig durch­ein­an­dergeraten kann? Warum ist es in deiner Schöpfung möglich, dass Kinder sterben? Wa­rum ist es in deiner Schöpfung möglich, dass Menschen perverse Verbrechen begehen? Wa­­rum hast du deine Geschöpfe nicht lern­fä­higer geschaffen, dass Kriege und selbst­süch­ti­ges Verhalten aufhören würden. Dein Reich kom­me. Dein Reich der Liebe? Wo denn?
Aber vielleicht ist nur mein Anspruch falsch. Mein Anspruch, dass die großen Verheißungen der Schrift von Frieden und Gerechtigkeit mir und meiner Zeit gelten. Mein Anspruch, dass etwas, was Gottes Schöpfung heißt, nicht so viel Leid und Unvollkommenheit in sich tragen dür­fe. Mein Anspruch, dass ein Glaubender auch immer Trost finden kann.
Der Katechismus jedenfalls tröstet mich hier nicht.
 
Lied 649 (Strophe 1) Wer kann dich, Herr, verstehen
 
Wer kann dich, Herr, verstehen, wer deinem Lichte nahn?
Wer kann den Ausgang sehen von deiner Führung Bahn?
Du lösest, was wir binden, du stürzest, was wir baun.
Wir könnens nicht ergründen, wir können nur vertraun.
Und wie fährt Frage 123 fort?
erhalte und mehre deine Kirche,
und zerstöre die Werke des Teufels
und alle Gewalt,
die sich wider dich erhebt,
und alle bösen Ratschläge,
die wider dein heiliges Wort
erdacht werden.
 
Aha - nicht nur ich habe zu kämpfen in meinem kleinen beschränkten Leben. Nicht nur für mich muss ich beten, sondern auch für Gott, auf dass seine Gegner mit ihren bösen Ma­chen­schaften vernichtet werden. Kommt Ihnen das logisch vor? Ich soll Gott bitten, dass er die Gewalt, die sich gegen ihn er­hebt, zerstört. Ja, warum tut er es denn nicht? Braucht es da­zu mein Gebet? Aha - die Kirche soll gefördert werden, erhalten und gemehrt. Und was ist mit dem Rest der Welt? Sind das die bösen Widersacher? Oder sind es welche, zu denen das Reich Gottes oh­nehin nicht kommt? (Zu Zeiten des Katechismus waren damit wohl die Papisten gemeint!) Aha - die Werke des Teufels sollen zerstört werden. Jetzt also auch noch der Teufel. Nun gut, wir wissen, dass die Menschen im 16. Jahrhundert davon ihre ganz kon­kre­ten Vor­stel­lun­­gen hatten. Auch zur Zeit Jesu war die Welt voller Teufel und Dämonen, nicht nur in den jüdischen Provinzen, sondern auch bei den Römern und Griechen. Aber hat ER – Jesus – nicht gesagt, er habe den Satan herabfallen sehen wie einen Blitz? (Lk 10,18) Hat ER nicht in dem Bewusstsein gelebt, dass mit ihm das Reich Gottes schon da ist und kei­­ne bösen Mächte mehr gefürchtet werden müssen? Warum ist dieser Teufel aus den Köp­fen nicht herauszubringen? Nicht im Mittelalter, nicht in der Reformationszeit. Selbst der neue Papst redet auffällig häufig von ihm. Und das Internet ist voll von aus­schwei­fenden Phan­tasien satanistischer Gruppierungen.
Mein kranker Sohn kennt den Teufel sehr gut, obwohl er weder daheim noch im Kon­fir­man­den­­­unterricht Teufelsgeschichten erzählt bekam. Diese Schrec­kens­bil­der dämonischer Mäch­­­­te sind offensichtlich eingegraben in das kollektive Gedächtnis. Vielleicht aus Ur­zei­ten er­­erbt mit der Angst vor der Dunkelheit. Die Teufelsbilder spalten die Welt in Gut und Bö­se, in helfende und vernichtende Lebenskräfte, sie bedrohen mit ihren gewalttätigen Stim­men ge­­­spaltene Persönlichkeiten. Und an der Tradition solcher Schrec­kens­bilder sind auch un­se­re christlichen Katechismusschriften nicht unschuldig. Was für wirklich­keits­mäch­ti­ge, end­gül­ti­ge Zeichen von Befreiung sind die Dämonenaustreibungen in den Evan­gelien! Aber statt zu glauben, dass SEIN Reich gekommen ist und kommen wird, hat man durch die Jahr­hunderte weiter die Angst geschürt.
Jesus betet und heißt uns beten: Dein Reich komme. Und Luther hat Recht mit seinem Zusatz: es komme zu uns. Aber wir können nur dann bitten, dass es zu uns kommt, wenn wir vertrauen, dass es in Jesus schon da war und dass es immer im Kommen ist. Auf keinen Fall jedoch müssen wir Gott ermahnen, was er zu tun hat. Auf keinen Fall müssen wir ihn, den Einen und Einzigen, mit Teufelsvorstellungen belästigen. Sie dürfen nicht mehr sein als Bilder für unsere Ängste.
 
 
Lied 396 (Strophe 2) Unter deinen Schirmen
 
Unter deinen Schirmen bin ich vor den Stürmen aller Feinde frei.
Lass den Satan wettern, lass die Welt erzittern, mir steht Jesus bei.
Ob es jetzt gleich kracht und blitzt, ob gleich Sünd und Hölle schrecken,
Jesus will mich decken.
 
 
Was tue ich da eigentlich? Ich soll eine Jubiläumspredigt halten. Und ich mache meinen Ka­te­chismus schlecht. Aber warum eigentlich nicht? Das ist doch gute reformierte Tradition. Ec­cle­sia semper refor­man­da. Die Kirche muss immer wieder und immer weiter erneuert wer­den. Also auch: Der Kate­chis­mus muss immer wieder und weiter erneuert werden. Er muss vor allem dahin­ge­hend ge­prüft werden, was er übersieht oder weglässt. Zur Bitte um das Reich Gottes hat er ziemlich viel weggelassen.
Ich möchte Frage 123 deshalb ergänzen aus Gerd Theißens "Glaubenssätzen", die ich in mei­ne eigene Rede jetzt einflechte.
Jesu Erwartung des Gottesreichs - so schreibt Theißen (Frage 188) - ist radikaler Monotheismus. Das bedeutet, dass ein Teufel oder andere böse Mächte darin keinen Ort haben. Radikaler Monotheismus:
Gott ist Schöpfer der Welt,
doch seine Welt ist noch nicht fertig.
Sie muss sich ändern,
um seine Herrlichkeit zu spiegeln.
Sie merken, hier wird eine andere Vorstellung von Schöpfung entwickelt als im Katechismus, der davon ausgeht, dass einmal alles gut war und dann durch den Sündenfall verdorben wur­­­de, ja, dass man Gott bitten müsse, alles zu zerstören, was sich wider ihn erhebt. Gottes Schöpfung ist noch nicht fertig. Nicht alles ist schon vollbracht. Zum Glauben an den Schöp­fer gehört daher auch der
Glaube
an die Verwandlung der Welt.
Erinnern Sie sich an die Lesung? Die Visionen der Propheten sind voll von Bildern über die Ver­wandlung der Welt: Die Wüste wird blühen, Skelette werden mit lebendigem Fleisch um­hüllt, steinerne Herzen werden lebendig, der Geist weht. Zukunftsvisionen von gro­ßer Hoff­nungs­kraft sind uns überliefert.
Gott erscheint schon in gegenwärtigen Zeichen - schreibt Theißen -
im unvollendeten Kunstwerk
seiner Welt.
Unvollendet.
Wir wissen nicht, in welcher Zeitform wir vom Reich Gottes angemessen sprechen können. War es im Leben Jesu schon da? Oder wird es erst am Ende der Zeit offenbar? Ist es in al­len Zeiten gegenwärtig, wo der Geist wirkt, damit das Wirken Jesu Wirklichkeit wird? Die Evan­­gelien geben uns eine zwiefache Antwort. In ihnen spricht Jesus über das Reich Gottes in der Gegenwart und in der Zukunft. Und in der Geschichte der Kirchen schlägt das Pendel im­­­mer wieder in verschiedene extreme Richtungen aus: zwischen Müntzers gewaltsamer Re­volution um der Gerechtigkeit willen und reaktionären, entpolitisierten Jenseits­ver­trös­tun­gen. Reich Gottes schon jetzt oder erst im Jenseits? Das eine ist so verfehlt wie das andere. Was aber dann?
Gott erscheint schon in gegenwärtigen Zeichen
im unvollendeten Kunstwerk
seiner Welt.
In der Geschichte Jesu, im Vertrauen darauf, dass das Reich Gottes in IHM nahe herbei­ge­kom­­men ist, haben wir das größte aller Zeichen. Und das Unservater-Gebet - so sehen es zeit­genössische Exegeten - ist ein Spiegel davon: Die einzelnen Bitten sind Elemente der schon seit Prophetenzeiten lebendigen Hoffnungen auf die kommende Königsherrschaft Gottes: alle können satt werden, Schulden werden erlassen, und Prüfungen wie die des Hiob wer­den die Erlösten nie mehr heimsuchen. Jesus selbst aber betet um beides: das An­bre­chen des Gottesreichs und die schwierige Geduld, darauf noch warten zu müssen. Dein Reich komme. Ja - aber auch: Dein Wille geschehe.
Wir müssen es also aushalten, dass Gott
in der Welt, wie sie ist, … abwesend ist.
Doch in der Welt,
die in Schmerzen entsteht,
ist er im Werden gegenwärtig.
Vom Geburtsschmerz spricht der Apostel Paulus (Römer 8,22). Nicht um Gottes Wirken müs­­sen wir bitten. Bitten müssen wir darum, über diesem Geburtsschmerz Seines Reiches nicht zu verzweifeln. Bitten müssen wir darum, dass wir zerstörte Hoffnungen ohne Ver­zweif­lung ertragen lernen. Bitten müssen wir darum, dass wir den Glauben nicht verlieren.
Das Christentum lehrt uns,
sagt Theißen (Frage 189),
Enttäuschung
über gescheiterte Hoffnungsbilder
in Kraft zu verwandeln,
die Hoffnung nie aufzugeben.
Hoffnungsbilder werden gekreuzigt.
Hoffnung aber
wird immer wieder auferstehen.
 
 
Schön und gut, sagt jetzt vielleicht die eine oder der andere von Ihnen, schön und gut, aber was heißt das konkret für mich und mein tägliches Leben?
Das Reich Gottes ist ein Traum mit einer sozialen Vision - so wieder Theißen (Frage 191) - Das Reich Gottes ist eine Utopie.
Ausländer draußen
und Deklassierte drinnen
sind privilegiert in ihm.
Das Reich Gottes ist eine Utopie, ein Noch-Nicht-Ort. Und mit anderen Utopien teilt es das Problem seiner Verwirklichung durch Menschen. Wolf Biermann hat das 1976 beim Konzert vor seiner Ausbürgerung aus der DDR sehr treffend formuliert, als er sang: So oder so, die Erde wird rot, entweder lebenrot oder todrot. Und nach einigen Strophen hat er sich selber unterbrochen mit dem Satz: "Manche singen dieses Lied als würde es heißen: Die Erde wird sowieso rot." Sowieso - selbstverständlich …
Da bin ich wieder bei meinem Anfang: Wozu beten? Damit nichts selbstverständlich wird. Kommt das Reich Gottes sowieso? Nein!
Wir sind die Erde
- so Theißen (Frage 190) -
die hervorbringen soll,
was Gott erwartet.
Die Früchte der Erde sind unsere Taten.
Wir sollen sie tun
spontan und ungezwungen,
von selbst
und autonom.
Das ist Reich Gottes.
Dein Reich komme zu uns, muss unser Gebet lauten, aber auch: Dein Reich komme durch uns. So habe ich in den 70er Jahren diese Bitte des Unservater ausschließlich verstanden: Dein Reich komme durch uns. Aber war das wirklich eine Lösung? Kein bisschen ist es nä­her gekommen seither. Immer wieder verunsichert mich das. Den Armen wird das Evan­ge­lium gepredigt (Mt 11,5), heißt es in Jesu Ausrufung der Gottesherrschaft. Dein Reich kom­­me - aber wann denn endlich? Wir sollen es verwirklichen. Doch die Versuche der Ge­schich­te endeten immer wieder in Blut­ver­gie­ßen oder in Scheingerech­tig­keit. Ehemalige Aktivisten sind gefangen in Resignation, jun­ge Gutwillige auf der Suche fühlen sich ratlos, ungestüme Welt­verbesser sind gefährdet durch Gewaltfantasien.
Dein Reich komme - Woher die Geduld nehmen?
2000 Jahre
- so Theißen (Frage 192) -
sind eine zu kurze Zeit,
um die Hoffnung zu testen,
die damals in die Welt trat.
 
Hätte der Neanderthaler für möglich gehalten,
dass Menschen Technik hervorbringen?
Hät­te es die Antike für möglich gehalten,
dass Sklaverei als Verbrechen gilt?
 
Hätte man sich vor 200 Jahren vorstellen können,
dass die Todesstrafe geächtet wird?
Hätte man vor 100 Jahren daran glauben können,
dass Kinder ohne Prügel erzogen werden?
Schon des­we­gen ist die Hoffnung auf Überwindung
von Krieg, Armut und Unfreiheit
zwar Hoffnung ge­gen die Geschichte,
nicht aber Hoffnung
gegen die Vernunft.
Ja, das waren vielleicht einige solcher bösen Ratschläge, die sich wider Gott erhoben hatten: Sklaverei, Todesstrafe, Prügel. Und viele solcher, die sich noch immer wider ihn erheben: Krieg, Ausbeutung, Menschenhandel.
Die Bitte, dass SEIN Reich komme, soll ich also verstehen als Bitte um Hoffnung. Um Hoff­nung, die den Glauben stärkt und in die tätige Liebe führt.
Aber was ist mit all dem, was keine Hoffnung zulässt, was nicht in unsere Hand zur Ver­än­de­rung gegeben ist? Was ist mit dem, was nur unsere Klage, nicht unsere Aktivität zulässt?
Wir wissen, sagt Paulus, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet. (Römer 8, 22) So ist es. Wir seufzen mit unseren unheilbar Kranken. Wir seuf­zen mit Erdbeben- und Tsunami-Opfern. Wir seufzen über unser Unglück. Es ist nicht alles gut. Es ist nicht vollbracht. Es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. (1. Joh. 3,2)
Darum ist die Bitte um SEIN Reich so lange nötig, bis die Vollkommenheit Seines Reiches herzukomme, darin er wird alles in allem sein. Hier finde ich wieder zurück zum Heidelberger Katechismus: bis die Vollkommenheit Seines Reiches herzukomme, darin er wird alles in allem sein. Auch unsere Reformatoren, auch Paulus, von dem die Wendung alles in allem stammt, hatten eine Ahnung davon, dass Gottes Sein noch im Werden (E. Jüngel) ist. Den Wartezustand müssen wir aushalten.
Doch das ist unser Trost:
- sagt Theißen (Frage 228) -
Wir können uns untereinander
und mit Gott
verbünden gegen das Leid.
 
Gerechtigkeit Gottes
ist die Hoffnung,
dass wir am Ende
JA sagen können zu allem
und Gott JA sagt
zu uns
trotz allem.
Ja sagen - das tausche ich ein gegen Gehorsam und Unterwerfung
Bündnis gegen das Leid - das tausche ich ein gegen Zerstörung der Werke des Teufels
Hoffnung - das tausche ich ein gegen Regierung durch Wort und Geist
Nichts davon ist selbstverständlich. Vieles gelingt oft nur unter Tränen oder wütender Ver­zweif­lung. Alles legen wir in unser Gebet.
Auch und gerade Gott ist nicht selbstver­ständ­lich, sagt Kurt Marti. Daran erinnern uns die Atheisten.
Dein Reich komme …   AMEN
 
Gerd Theißen: Glaubenssätze. Ein kritischer Katechismus. Gütersloh 2012

Predigt gehalten am 14. April 2013 in der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Bayreuth