16 | 31 | 46 | 61 | 73 | 85 | 100 | 115 | |
17 | 32 | 47 | 62 | 74 | 86 | 101 | 116 | |
18 | 33 | 48 | 63 | 75 | 87 | 102 | 117 | |
19 | 34 | 49 | 64 | 76 | 88 | 103 | 118 | |
20 | 35 | 50 | 65 | 77 | 89 | 104 | 119 | |
21 | 36 | 51 | 66 | 78 | 90 | 105 | 120 | |
22 | 37 | 52 | 91 | 106 | 121 | |||
23 | 38 | 53 | 92 | 107 | 122 | |||
24 | 39 | 54 | 93 | 108 | 123 | |||
25 | 40 | 55 | 67 | 79 | 94 | 109 | 124 | |
26 | 41 | 56 | 68 | 80 | 95 | 110 | 125 | |
27 | 42 | 57 | 69 | 81 | 96 | 111 | 126 | |
28 | 43 | 58 | 70 | 82 | 97 | 112 | 127 | |
29 | 44 | 59 | 71 | 83 | 98 | 113 | 128 | |
30 | 45 | 60 | 72 | 84 | 99 | 114 | 129 |
Die 129 Fragen des Heidelberger Katechismus - ohne die Antworten!
Welche Fragen interessieren Sie? Finden Sie Ihre eigenen Antworten?! Oder stellen Sie Ihre eigenen Fragen?!
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1. Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?
2. Was musst du wissen, damit du in diesem Trost selig leben und sterben kannst?
3. Woher erkennst du dein Elend?
4. Was fordert denn Gottes Gesetz von uns?
5. Kannst du das alles vollkommen halten?
6. Hat denn Gott den Menschen so böse und verkehrt erschaffen?
7. Woher kommt denn diese böse und verkehrte Art des Menschen?
8. Sind wir aber so böse und verkehrt, dass wir ganz und gar unfähig sind zu irgendeinem Guten und geneigt zu allem Bösen?
9. Tut denn Gott dem Menschen nicht Unrecht, wenn er in seinem Gesetz etwas fordert, was der Mensch nicht tun kann?
10. Will Gott diesen Ungehorsam ungestraft lassen?
11. Ist denn Gott nicht auch barmherzig?
12. Wenn wir also nach dem gerechten Urteil Gottes schon jetzt und ewig Strafe verdient haben, wie können wir dieser Strafe entgehen und wieder Gottes Gnade erlangen?
13. Können wir aber selbst für unsere Schuld bezahlen?
14. Kann aber irgendein Geschöpf für uns bezahlen?
15. Was für einen Mittler und Erlöser müssen wir denn suchen?
16. Warum muss er ein wahrer und gerechter Mensch sein?
17. Warum muss er zugleich wahrer Gott sein?
18. Wer ist denn dieser Mittler, der zugleich wahrer Gott und ein wahrer, gerechter Mensch ist?
19. Woher weißt du das?
20. Werden denn alle Menschen wieder durch Christus gerettet, so wie sie durch Adam verloren gegangen sind?
21. Was ist wahrer Glaube?
22. Was ist für einen Christen notwendig zu glauben?
23. Wie lautet dieses Glaubensbekenntnis?
24. Wie wird das Glaubensbekenntnis eingeteilt?
25. Warum nennst du denn drei: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wo doch Gott nur einer ist?
26. Was glaubst du, wenn du sprichst: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde“?
27. Was verstehst du unter der Vorsehung Gottes?
28. Was nützt uns die Erkenntnis der Schöpfung und Vorsehung Gottes?
29. Warum wird der Sohn Gottes Jesus, das heißt „Heiland“ genannt?
30. Glauben denn auch die an den einzigen Heiland Jesus, die Heil und Seligkeit bei den Heiligen, bei sich selbst oder anderswo suchen?
31. Warum wird er Christus, das heißt „Gesalbter“ genannt?
32. Warum wirst aber du ein Christ genannt?
33. Warum heißt Jesus Christus „Gottes eingeborener Sohn“, da doch auch wir Kinder Gottes sind?
34. Warum nennst du ihn „unseren Herrn“?
35. Was bedeutet: „Empfangen durch den heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“?
36. Was nützt es dir, dass er durch den heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren ist?
37. Was verstehst du unter dem Wort „gelitten“?
38. Warum hat er unter dem Richter Pontius Pilatus gelitten?
39. Bedeutet sein Tod am Kreuz mehr, als wenn er eines anderen Todes gestorben wäre?
40. Warum hat Christus den Tod erleiden müssen?
41. Warum ist er begraben worden?
42. Warum müssen wir noch sterben, obwohl Christus für uns gestorben ist?
43. Welchen weiteren Nutzen haben wir aus Opfer und Tod Christi am Kreuz?
44. Warum folgt „abgestiegen zu der Hölle“?
45. Was nützt uns die Auferstehung Christi?
46. Wie verstehst du, dass es heißt „aufgefahren in den Himmel“?
47. Ist denn Christus nicht bei uns bis ans Ende der Welt, wie er uns verheißen hat?
48. Werden aber auf diese Weise nicht Gottheit und Menschheit in Christus voneinander getrennt, wenn er nach seiner menschlichen Natur nicht überall ist, wo er nach seiner Gottheit ist?
49. Was nützt uns die Himmelfahrt Christi?
50. Warum wird hinzugefügt „er sitzt zur Rechten Gottes“?
51. Was nützt uns diese Herrlichkeit unseres Hauptes Christus?
52. Was tröstet dich die Wiederkunft Christi, „zu richten die Lebenden und die Toten“?
53. Was glaubst du vom heiligen Geist?
54. Was glaubst du von der „heiligen allgemeinen christlichen Kirche“?
55. Was verstehst du unter der „Gemeinschaft der Heiligen“?
56. Was glaubst du von der „Vergebung der Sünden“?
57. Was tröstet dich die „Auferstehung der Toten“?
58. Was tröstet dich die Verheißung des ewigen Lebens?
59. Was hilft es dir aber nun, wenn du das alles glaubst?
60. Wie bist du gerecht vor Gott?
61. Warum sagst du, dass du allein durch den Glauben gerecht bist?
62. Warum können denn unsere guten Werke uns nicht ganz oder teilweise vor Gott gerecht machen?
63. Verdienen aber unsere guten Werke nichts, obwohl Gott sie doch in diesem und dem zukünftigen Leben belohnen will?
64. Macht aber diese Lehre die Menschen nicht leichtfertig und gewissenlos?
65. Wenn nun allein der Glaube uns Anteil an Christus und allen seinen Wohltaten gibt, woher kommt solcher Glaube?
66. Was sind Sakramente?
67. Sollen denn beide, Wort und Sakrament, unseren Glauben auf das Opfer Jesu Christi am Kreuz als den einzigen Grund unserer Seligkeit hinweisen?
68. Wieviel Sakramente hat Christus im Neuen Testament eingesetzt?
69. Wie wirst du in der heiligen Taufe erinnert und gewiss gemacht, dass das einmalige Opfer Christi am Kreuz dir zugut kommt?
70. Was heißt, mit dem Blut und Geist Christi gewaschen sein?
71. Wo hat Christus verheißen, dass wir so gewiss mit seinem Blut und Geist wie mit dem Taufwasser gewaschen sind?
72. Ist denn das äußerliche Wasserbad selbst die Abwaschung der Sünden?
73. Warum nennt denn der Heilige Geist die Taufe das „Bad der Wiedergeburt“ und die „Abwaschung der Sünden“?
74. Soll man auch die kleinen Kinder taufen?
75. Wie wirst du im heiligen Abendmahl erinnert und gewiss gemacht, dass du an dem einzigen Opfer Christi am Kreuz und allen seinen Gaben Anteil hast?
76. Was heißt, den gekreuzigten Leib Christi essen und sein vergossenes Blut trinken?
77. Wo hat Christus verheißen, dass er die Gläubigen so gewiss mit seinem Leib und Blut speist und tränkt, wie sie von diesem gebrochenen Brot essen und von diesem Kelch trinken?
78. Werden denn Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt?
79. Warum nennt denn Christus das Brot seinen Leib und den Kelch sein Blut oder nennt den Kelch den neuen Bund in seinem Blut, und warum spricht Paulus von der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Jesu Christi?
80. Was ist für ein Unterschied zwischen dem Abendmahl des Herrn und der päpstlichen Messe?
81. Welche Menschen sollen zum Tisch des Herrn kommen?
82. Dürfen aber zum heiligen Abendmahl auch solche zugelassen werden, die sich in ihrem Bekenntnis und Leben als Ungläubige und Gottlose erweisen?
83. Was ist das Amt der Schlüssel?
84. Wie wird das Himmelreich durch die Predigt des heiligen Evangeliums auf- und zugeschlossen?
85. Wie wird das Himmelreich durch die christliche Bußzucht zu- und aufgeschlossen?
86. Da wir nun aus unserm Elend ganz ohne unser Verdienst aus Gnade durch Christus erlöst sind, warum sollen wir gute Werke tun?
87. Können denn auch die selig werden, die sich von ihrem undankbaren, unbußfertigen Leben nicht zu Gott bekehren?
88. Worin besteht die wahrhaftige Buße oder Bekehrung des Menschen?
89. Was heißt Absterben des alten Menschen?
90. Was heißt Auferstehen des neuen Menschen?
91. Was sind denn gute Werke?
92. Wie lautet das Gesetz des HERRN?
93. Wie werden diese Gebote eingeteilt?
94. Was fordert der Herr im ersten Gebot?
95. Was ist Götzendienst?
96. Was will Gott im zweiten Gebot?
97. Darf man denn gar kein Bild machen?
98. Dürfen denn nicht die Bilder als „der Laien Bücher“ in den Kirchen geduldet werden?
99. Was will Gott im dritten Gebot?
100. Ist es denn eine so schwere Sünde, Gottes Namen mit Schwören und Fluchen zu lästern, dass Gott auch über die zürnt, die nicht alles tun, um es zu verhindern?
101. Darf man aber überhaupt bei dem Namen Gottes einen Eid schwören?
102. Darf man auch bei den Heiligen oder anderen Geschöpfen schwören?
103. Was will Gott im vierten Gebot?
104. Was will Gott im fünften Gebot?
105. Was will Gott im sechsten Gebot?
106. Redet denn dieses Gebot nur vom Töten?
107. Haben wir das Gebot schon erfüllt, wenn wir unseren Nächsten nicht töten?
108. Was will Gott im siebenten Gebot?
109. Verbietet Gott in diesem Gebot allein den Ehebruch?
110. Was verbietet Gott im achten Gebot?
111. Was gebietet dir aber Gott in diesem Gebot?
112. Was will Gott im neunten Gebot?
113. Was will Gott im zehnten Gebot?
114. Können aber die zu Gott Bekehrten diese Gebote vollkommen halten?
115. Warum lässt uns Gott denn die zehn Gebote so eindringlich predigen, wenn sie doch in diesem Leben niemand halten kann?
116. Warum ist den Christen das Gebet nötig?
117. Was gehört zu einem Gebet, damit es Gott gefällt und von ihm erhört wird?
118. Was hat uns Gott befohlen, von ihm zu erbitten?
119. Wie lautet dieses Gebet
120. Warum hat uns Christus befohlen, Gott so anzureden: „Unser Vater“?
121. Warum wird hinzugefügt: „im Himmel“?
122. Was bedeutet die erste Bitte: „Geheiligt werde dein Name“?
123. Was bedeutet die zweite Bitte: „Dein Reich komme“?
124. Was bedeutet die dritte Bitte: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“?
125. Was bedeutet die vierte Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns heute“?
126. Was bedeutet die fünfte Bitte: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“?
127. Was bedeutet die sechste Bitte: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“?
128. Wie beschließt du dieses Gebet: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“?
129. Was bedeutet das Wort: „Amen“?
>>> Was will ich vom (christlichen) Glauben wissen? Fragen haben, Antworten finden.
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Frage 82 bis 85
Predigt von Prof. em. Dr. Wolfgang Nethöfel, Frankfurt a. Main
Frage 82
Dürfen aber zum heiligen Abendmahl auch solche zugelassen werden, die sich in ihrem Bekenntnis und Leben als Ungläubige und Gottlose erweisen?
Nein;
denn sonst wird der Bund Gottes geschmäht
und sein Zorn über die ganze Gemeinde erregt. 1. Kor 11, 20.34 / Jes 1, 11-15; 66, 3
Darum muss die christliche Kirche Jer 7, 21-23 / Ps 50, 16-17
nach der Ordnung Christi und seiner Apostel
solche durch das Amt der Schlüssel ausschließen,
bis sie ihr Leben bessern.
Frage 83
Was ist das Amt der Schlüssel?
Die Predigt des heiligen Evangeliums
und die christliche Bußzucht.
Durch diese beiden wird das Himmelreich
den Gläubigen aufgeschlossen,
den Ungläubigen aber zugeschlossen. Mt 16, 18-19; 18, 18
Frage 84
Wie wird das Himmelreich durch die Predigt des heiligen Evangeliums auf- und zugeschlossen?
Nach dem Befehl Christi wird
allen Gläubigen verkündigt
und öffentlich bezeugt,
dass ihnen alle ihre Sünden von Gott
um des Verdienstes Christi willen
wahrhaftig vergeben sind,
sooft sie den Zuspruch des Evangeliums
mit wahrem Glauben annehmen.
Dagegen wird allen,
die den Glauben verwerfen
oder heucheln,
öffentlich bezeugt,
dass der Zorn Gottes
und die ewige Verdammnis auf ihnen liegt, Joh 20, 21-23 / Mt 16, 19
solange sie sich nicht bekehren.
Nach diesem Zeugnis des Evangeliums
will Gott in diesem und im zukünftigen Leben
urteilen.
Frage 85
Wie wird das Himmelreich durch die christliche Bußzucht zu- und aufgeschlossen?
Nach dem Befehl Christi werden alle,
die sich Christen nennen,
aber unchristlich lehren oder leben,
mehrmals seelsorgerlich vermahnt.
Wenn sie von ihren Irrtümern und Lastern
nicht ablassen,
werden sie der Gemeinde
oder den von ihr Beauftragten
namhaft gemacht.
Wenn sie auch deren Vermahnung
nicht folgen,
werden sie von diesen
durch Versagung der heiligen Sakramente
aus der christlichen Gemeinde
und von Gott selber aus dem Reich Christi
ausgeschlossen.
Jedoch werden sie
als Glieder Christi und der Kirche
wieder angenommen,
wenn sie wahre Besserung versprechen und
zeigen. Mt 18, 15-18 /1. Kor 5, 3-5.11 / 2. Thess 3, 14-15 / 2. Joh 10, 11
I
Die Fragen zur „Bußzucht“, zum zeitweiligen Ausschluss von den Sakramenten, insbesondere vom Abendmahl, gehören sicherlich zu den im interkonfessionellen Dialog heikelsten Themen im Umgang mit dem Heidelberger Katechismus: einem zentralen Dokument reformierter Tradition. Denn angeblich wird durch die „christliche Bußzucht“, die in Frage 85 thematisiert wird, ebenso wie durch die „Predigt des heiligen Evangeliums“, von der in Frage 84 die Rede ist, „das Himmelreich auf- und zugeschlossen“. Und beides wird zuvor im Kontext der Fragen 82 und 83 als „Amt der Schlüssel“ definiert: eine, wie es scheint, nicht nur grundsätzlich unevangelische, sondern dazu auch noch rückfällig-katholische Amtsanmaßung von Kirchenoberen, die das für sich in Anspruch nehmen.
Exegetisch steht das aus heutiger Sicht auf schwachen Füßen. Wir haben die eine Stelle, auf die man sich dabei berufen hat, soeben in der Lesung gehört (1. Korinther 11, 17-34). Im 1. Korintherbrief geht es Paulus aber im Wesentlichen darum, dass die Mahlgemeinschaft der Gemeinde nicht einfach traditionell: als Sättigungsmal gefeiert wird. Sie soll als Gedächtnismahl des Todes Jesu gefeiert werden, weil mit dem alten Adam auch die von früher und von draußen mitgebrachten sozialen Unterschiede begraben sind. In der Gemeinschaft mit dem auferstandenen Christus wird ein neues Leben gelebt und erfahren. So soll es jedenfalls sein.
Entscheidend, echt paulinisch, ist hier die Reihenfolge. Nicht: haltet die gute Ordnung ein, damit ihr es euch nicht mit Gott verderbt. Sondern die Liebe Gottes, die in der Christusgemeinschaft erfahrbar wird, hat euch aus euren alten Bindungen befreit. Dann verhaltet euch auch entsprechend, damit ihr euch diese Freiheit bewahrt.
Paulus nennt das Misslingen dieser neuen Gemeinschaftsbildung aber nicht nur ein „Schuldigwerden an Leib und Blut des Herrn“, so dass man „sich selbst ein Gericht isst“. Er stellt eine Verbindung zur Tatsache her, dass einige Gemeindeglieder ernsthaft erkrankt und andere – entgegen der ursprünglichen Erwartung – sogar verstorben sind. Solche magisch-mythologischen Vorstellungen hat der in seiner Art sehr lutherische Theologe Rudolf Bultmann in einem Brief an den in seiner Art sehr reformierten Theologen Karl Barth mit der trockenen Feststellung kommentiert, es gebe „Höhen und Tiefen“ in Paulusbriefen. Mit Paulus gegen Paulus, wenn der sich verrennt. Paulus selbst befreit uns dazu, das zu erkennen. Denn zu den Höhen gehört, dass Paulus sich in solchen Zusammenhängen zuverlässig immer wieder selbst zurücknimmt. Hier sagt er: Wir sollen mit uns selbst in Gericht gehen, ehe wir an den Tisch des Herrn treten. Oder noch genauer: Wenn einer anders handelt als er redet, erledigt sich sein Beitrag zu den Gemeindestreitigkeiten von selbst, von denen hier eigentlich die Rede ist. Erst da ist Paulus wieder ganz bei sich selbst.
Die andere Stelle ist die Aufforderung zur geschwisterlichen Ermahnung in Matthäus 18, 15-18.
15 »Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und stell ihn unter vier Augen zur Rede. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen.
16 Hört er nicht auf dich, dann geh mit einem oder zwei anderen noch einmal zu ihm, denn ›jede Sache soll aufgrund der Aussagen von zwei oder drei Zeugen entschieden werden‹.
17 Will er auch auf diese nicht hören, dann bring die Sache vor die Gemeinde. Will er auch auf die Gemeinde nicht hören, dann soll er in deinen Augen ´wie ein gottloser Mensch` sein, wie ein Heide oder ein Zolleinnehmer.
18 Ich sage euch: Alles, was ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf der Erde lösen werdet, wird im Himmel gelöst sein.“
Halten wir fest: Bei Matthäus ist von der Mahlgemeinschaft gar nicht die Rede. Wenn man denkt, jemand verstößt gegen ein religiöses Gebot, das die Gemeinde für sich als gültig ansieht, weist man ihn erst allein, dann im Beisein von Zeugen und schließlich – wenn auch das nicht hilft – gemeindeöffentlich auf sein Fehlverhalten hin. Erst dann darf er ausgeschlossen werden. Es geht um ein geordnetes, zugleich diskretes wie transparentes Verfahren. In diesem Kontext wird auf die Bevollmächtigung der gesamten Gemeinde hingewiesen, solche Vorschriften auszulegen und darüber zu befinden, was verboten und was erlaubt ist und darüber zu befinden, wer gegen ein Gebot verstoßen hat und wer nicht. Denn das und nicht anderes ist im jüdischen Kontext mit „Binden und Lösen“ gemeint. Dort ist das traditionell Aufgabe des Priesters, in der christlichen Gemeinde gibt es von Anfang an so etwas wie das Priestertum aller Gläubigen.
II
Dieser zweite Text unterstreicht durch die Konzentration auf eine rationale Verfahrenslösung in besonderer Weise eine nicht-gesetzliche, unmythologische Auslegung der Texte, auf die der Katechismus sich bezieht. Und das wiegt schwer. Es kann ja nicht geleugnet werden, dass sowohl die Gefahr, „unwürdig“, wie es hieß, am Altarsakrament teilzunehmen, als auch die Tatsache, von ihm ausgeschlossen zu sein, den Menschen furchtbare Angst vor Tod und Teufel gemacht hat: für einige gilt das bis heute. Das aber verdunkelt das Evangelium selbst: die frohe Botschaft, dass Gott uns in Christus als gnädiger Gott nahe kommt.
Zwischen der nicht-gesetzlichen Auslegung der einen und der anderen Stellen besteht sogar ein Zusammenhang. Und das ist die Tradition, die Jesus selbst begründet hat. Was wir darüber historisch wissen, mag wenig sein, aber es ist nicht nichts. Und was wir einigermaßen sicher wissen, ist für unseren Zusammenhang der sogenannten Bußzucht entscheidend. Jesus lebte, was er lehrte. Seine Gleichnisse und seine Heilungen hatten dieselbe Botschaft. Beides kommt in der beglückenden Erfahrung seiner Nähe bei einem realen Festmahl zusammen, die eine Art Symposion waren.
Anstößigerweise feierten Jesus und seine Jünger gern. Nach dem Motto der Teresa von Avila: Wenn Fasten, dann fasten, wenn Rindfleisch, dann Rindfleisch! Aber eben nicht irgendwie. Diese Tischgemeinschaften waren Realsymbole des Gottesreiches und Zeichenhandlungen zugleich. Schon in der Art und Weise, wie Jesus sich einladen ließ und als Einladender auftrat, überschritt er demonstrativ Grenzen: politische, kultische und Gendergrenzen. Er aß mit „Sündern“ aller Art, wie er ja auch gern mit Frauen und Kindern zusammen war – anders als andere Rabbiner, die Furcht hatten, kultisch unrein zu werden. Er lud die von den Hecken und Zäunen ein, und wenn er im Hause war, kehrte er, etwa bei der Fußwaschung, bewusst die Rangordnung um, von der sonst diese formellen Gastmahle bestimmt waren.
Bei seinem letzten Mahl versiegelt Jesus eigentlich nur die Botschaft, die immer schon von diesen Mahlzeiten ausging, so, dass sie über seinen Tod hinaus gehört und ihre Wahrheit erfahren werden konnte. Und in der Tat sind diese Mahlzeiten zusammen mit der Taufe, die zu ihr hinführt und auf sie vorbereitet, zum wichtigsten Haftpunkt der Traditionsgemeinschaft geworden, die sich auf ihn beruft. Paulus, der behauptet, den „Jesus nach dem Fleisch“ nicht zu kennen, steht durch die Art und Weise, wie man in Antiochien diese Mahlzeiten feierte (und Täuflinge eben darauf vorbereitete), enger als man meinen könnte in genau dieser Traditionslinie.
Wie man aber gerade bei ihm sieht, ist das eine dynamische, eine dynamisierende Tradition, die nicht zum Stillstand kommen will. In der Taufe, der Zulassung zu diesem Mahl, wird das ebenfalls als Sterben angesprochen, aus dem ein neues Leben hervorgeht: „Da ist nicht Jude noch Heide, nicht Sklave noch Freier, nicht Frau noch Mann: ihr seid alle eins in Christus.“ (Galater 3,28) Und so wie Jesus sich gleichsam von denen belehren lässt, die von den Brosamen eines Tisches essen wollen, der eigentlich nur für die jüdische Traditionsgemeinschaft gedeckt war, so begreift Paulus diese Sendung von Anfang an als Sendung auch zu den Heiden: paradoxerweise (oder eigentlich: auch nicht) in Fortsetzung jener alten jüdischen Tradition, in der der Segen und das Erbe eigentlich immer schon an die jüngeren Brüder ging. Schaut man genauer hin, ist diese Tradition ja weder patriarchal noch gesetzlich, sondern sie erzählt von einer Bundestradition der Liebe. Der Segen wird hier über tricksende und täuschende ausländische und „sündige“ Frauen vermittelt: die übrigens alle im Stammbaum Jesu wiederkehren, der auf die ledige Mutter Maria zuläuft (Matthäus 1,1-17). Matthäus sah die Geschichte also genauso wie Paulus.
Die Botschaft des nahen Gottes kehrt alles um – und setzt es so neu in Bewegung. Das Gesetz ist heilig und gut. Aber damit es nicht tötet, darf es nur als Evangelium gepredigt werden. Das ist der Kern der reformierten Bundestradition, denke ich, und der Kern der Botschaft Jesu.
III
In Christus wird immer wieder alles neu! Was heißt das für unseren Zusammenhang? Ich denke, wenn wir so argumentieren:
- Wenn wir nicht die Augen schließen und blind vertrauen müssen: sondern wie Paulus immer wieder einschärft, kritisch prüfen, was von dem, das uns überliefert ist, deshalb für uns verbindlich ist, weil es uns die Liebe Gottes in Jesus Christus erfahrbar macht,
- Wenn wir, wie Bultmann das mit Paulus für uns heutige Bibelleser lehrte, darauf vertrauen, dass auch die historisch-kritische Wahrheit uns frei macht:
- dann sollten wir uns auch bemühen, die Intentionen der Autoren des Heidelberger Katechismus nachzuvollziehen. Dann ist es nur fair, ja wir sind verpflichtet, gegen alle möglichen Vorurteile kritisch zu rekonstruieren, wie „Bußzucht“ historisch verstanden und wie sie ursprünglich praktiziert wurde: in Genf, in Emden, in den reformierten Exils- und Auslandsgemeinden Londons, sicher auch hier in Frankfurt.
Und da hören wir Erstaunliches, vor allem wenn man sich auf die Dokumente konzentriert, die von der für uns so problematischen Umsetzungspraxis berichten. Von Wiegen der Demokratie, gar von Anfängen der Frauenemanzipation ist da selbst bei kritischen Historikerinnen und Historikern die Rede. Natürlich ging es vorwiegend um Ehebruch und um den öffentlichen Skandal, den das hervorrief. Aber ausgerechnet Genderforscherinnen zeigen nun minutiös auf, wie in den dokumentierten Verfahren die überlieferten patriarchalen Vorrechte durchbrochen wurden, bei denen ja von vornherein nur die Frauen risikobedrohte Skandalsubjekte waren. Die Frau sei „in Angelegenheiten des Ehebetts gleichberechtigt“ schrieb Calvin (Eheordnung 1546). Hier wurde nun auf beide geschaut, immer wurden auch die Frauen gehört, der Blick ruhte auf der Versorgungslage der ganzen Familie. Erst in diesem Kontext, in dem auch Ehen geschieden wurden, wurde die Ehe wirklich jenes „weltliche Ding“, von dem Luther gesprochen hatte.
Der zeitweilige Ausschluss von den Sakramenten war früher gängige kirchliche Praxis. Der Hoheitsakt eines geweihten Priesters war eingebunden in ein hierarchisches Machtgefüge, das zum Missbrauch geradezu einlud: Dass bis zu drei konkurrierende Papstanwärter ganze Länder mit dem Interdikt belegten: dem Verbot, Sakramente auszuteilen, gehört in die Vorgeschichte der Reformation, weil es mindestens deren Heilswirksamkeit in Frage stellte und die Menschen massenhaft in Höllenangst stürzte. Nun erleben wir etwas ganz anderes. Nach dem republikanischen Vorbild der Stadtverfassung gewählte Gemeindevertreter üben ihr zeitlich begrenztes Amt aus, indem sie sich ohne, oder genauer: mit genauem Ansehen der beteiligten Personen einem streng geordneten, in aller Regel äußerst diskreten Verfahren unterstellen: das sich in der Praxis als Amt der Versöhnung erwies. Es ging vor allen Dingen um Konfliktmediation. – Man darf sagen: wie bei Matthäus.
IV
Das mag für viele überraschend sein. Ich kannte zwar die Umrisse dieser Tradition, aber ich habe im Einzelnen viel gelernt: nicht nur bei der genaueren Betrachtung der herangezogenen Bibelstellen, sondern auch und gerade in der Art und Weise wie sie nicht nur dogmatisch herangezogen wurden, sondern wie sie trotz offensichtlicher Missverständnisse in ihrem Traditionskern der Umsetzungspraxis nahe kamen. Aber das schiebt die Frage ja nur hinaus: Was sagt uns das heute?
Ich meine, dass wir hier von Anfang an und immer wieder die alle Tradition und alle Klischees durchbrechende, wahrhaft frei machende schöpferische Kraft der Liebe Gottes spüren, die sich in Jesus Christus offenbart hat. Sie befreit auch aus religiösen Traditionen, auch aus kirchlichen Bindungen, auch aus neuer Gesetzlichkeit. Gerade im Widerspruch zur Kirche hat dieses tief in unseren zentralen Traditionsmustern gespeicherte Doppelmotiv unser Abendland geprägt, das Luther auf die bündige Formel gebracht hat: frei im Glauben, gebunden in der Liebe. Es brach sich immer wieder Bahn: in der Geschichte des Mönchstums, in der Reformation, in der Säkularisierungsgeschichte, in der Geschichte von Naturwissenschaft und Technik und in der Geschichte der politischen Revolutionen, schließlich in der Ausbildung des Sozialstaates. Ich will davon nicht auch noch erzählen, nur so viel:
Wir sind da stets auf beiden Seiten gewesen: als Förderer wie als Verhinderer. Immer wieder stellt sich uns die Frage: Wie können wir uns diese Freiheit bewahren, damit die Liebe ihren Weg findet? Über den inneren Kern dieser Freiheit wusste der Lutheraner Bultmann viel zu erzählen, über deren Wirksamwerden in der Praxis der Reformierte Karl Barth. Unter der Herrschaft des Nationalsozialismus sprach er in der Barmer Theologischen Erklärung von „Gottes kräftige(m) Anspruch auf unser ganzes Leben“ (These 2). In der Situation der alten DDR, wo die Partei wieder nach dem ganzen Menschen griff, wo aber auch angesichts des Unrechts in der Welt eine sozialistische Alternative Anknüpfungspunkte an biblische Gerechtigkeitsforderungen zu bieten schien (auch hier im Westen), musste man sich wieder entscheiden:
- Rückzug und Trennung auf der Linie der lutherischen „Zwei-Reiche-Lehre“ („mein Reich ist nicht von dieser Welt“, Johannes 18,36)
- oder ein vorwärtsweisendes Engagement, wie es auf der Linie der reformierten Lehre von der „Königsherrschaft Christi“ zu liegen schien: wenn der Staat diesmal wirklich die Hand reichen sollte?
Die heute vergessene Schrift „Kirchengemeinschaft und politische Ethik“ aus dem Jahre 1980 ließ sich nicht auf konfessionelle Klischees ein, sondern ging einen kreativen dritten Weg. Eine Kommission der unierten und reformierten Kirchenbünde reflektiert damals relative Schwächen und relative Stärken beider Ansätze und macht sie fruchtbar als Kriterien sachlich engagierten, aber unideologisch-vernünftigen und freien Entscheidung. Wir können uns daran noch heute orientieren, wenn wir uns angesichts der Bußzucht-Fragen der Heidelberger Katechismus unserer konfessionellen, ja unserer christlichen Tradition neu vergewissern wollen.
Zu den Schwächen der reformierten Lehre von der Königsherrschaft Christi gehörte nach dem Urteil der Kommission, dass aus der Zukunft des Reiches Gottes „eine Sache der Menschen oder Kirche“ wird, dass darin „Elemente des Besserwissens“ austreten und „Veränderungsforderungen“, die nicht vernünftig „detailliert und konkretisiert“ werden können. „In Christus“, daran hält die kleine Schrift fest, „hat Gott jedoch sein eigenes Herrsein über die Welt als hingebenden und nachgehenden Dienst an den Menschen definiert.“ (S. 27f.) Zu den Schwächen der Zwei-Reiche-Lehre gehört, dass dieses Reich Christi „oft als unsichtbares Reich des Geistes verstanden wird, das nur für die Innerlichkeit des Menschen und seine ganz persönlichen Beziehungen zuständig ist“. Das habe nicht selten „zu einem Auseinanderbrechen von Glaube und Vernunft geführt“, die dann „oft allzu schnell dem erlegen ist, was von den Herrschenden als vernünftig ausgegeben wurde“. So werde übersehen, dass „das Zeugnis des Evangeliums Bedeutung auch für das Handeln von Christen und Kirche im weltlichen Bereich hat“ (S. 25f.)
Die relativen Stärken beider Lehren entfalten sich, so heißt es zusammenfassend, „als wechselseitig sich ergänzende und einander korrigierende Interpretationsmodelle für das Handeln der Kirche und der Christen im politisch-gesellschaftlichen Bereich“ (S. 41). Das ist aber meines Erachtens nicht die eigentlich Pointe: Das beginnt ja vorher, auch in jenem Text: „Die Lehre von der Königsherrschaft Christi legt Wert darauf, dass nicht nur der Einzelne, sondern die Gemeinschaft zur Nachfolge verpflichtet ist“. Christen: Männer und Frauen „haben gemeinsam zu beraten, welches Verhalten jetzt der Liebe Christi am meisten entspricht“, und das „ruft die Kirchen zur Umkehr“. (S. 27) Das wird durch den Ursprung wie durch die Praxis dieser so sperrigen reformierten Lehre eigentlich bezeugt. Indem sie ihre kritische Rekonstruktion legitimiert, bringt sie uns dem Ursprung in der Lehre und der Praxis Jesu nahe: die uns auch noch heute zur Liebe befreit. Dafür dürfen wir dankbar sein.
Predigt (Lesefassung) am 18. August 2013 im Rahmen einer Predigtreihe zum Heidelberger Katechismus in der Evangelisch-reformierten Kirche in Frankfurt am Main.