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Ökumene mit Leben füllen
Peter Bukowski plädiert für einen ökumenischen Realismus
Die am 29. Juni 2007 veröffentlichte Erklärung der römisch-katholischen „Kongregation für die Glaubenslehre“ mit dem Titel „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“ hat im Besonderen im protestantischen Bereich für Diskussionen und Unmut gesorgt. Denn wie in der Verlautbarung „Dominus Jesus“ aus dem Jahre 2000 wird den aus der Reformation hervor gegangenen Kirchen die Bezeichnung „Kirche“ abgesprochen, wenn es dort heißt:
„5. Frage: Warum schreiben die Texte des Konzils und des nachfolgenden Lehramts den Gemeinschaften, die aus der Reformation des 16. Jahrhunderts hervorgegangen sind, den Titel ‚Kirche’ nicht zu?
Antwort: Weil diese Gemeinschaften nach katholischer Lehre die apostolische Sukzession im Weihesakrament nicht besitzen und ihnen deshalb ein wesentliches konstitutives Element des Kircheseins fehlt. Die genannten kirchlichen Gemeinschaften, die vor allem wegen des Fehlens des sakramentalen Priestertums die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben, können nach katholischer Lehre nicht ‚Kirchen’ im eigentlichen Sinn genannt werden.“
Zu dieser Aussage und zu ihren Folgen für den ökumenischen Dialog befragte Rüdiger Durth den Moderator des Reformierten Bundes, Pfr. D. Peter Bukowski.
Rüdiger Durth: Haben die "Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche" der vatikanischen Glaubenskongregation den Reformierten Bund überrascht?
Peter Bukowski: Reformierte Bund hat sich schon seit längerem für einen „ökumenischen Realismus“ ausgesprochen, der die Möglichkeiten einer Überwindung der zentralen Lehrgegensätze sehr nüchtern einschätzt. Insofern konnte der Inhalt des jüngsten Vatikanpapiers nicht wirklich überraschen. Wenn mich etwas überrascht hat, dann war es der Zeitpunkt und die ökumenische Kaltschnäuzigkeit, mit der – allen anders lautenden Signalen und Erfahrungen zum Trotz – die schroff abgrenzende Haltung von „Dominus Jesus“ aus dem Jahre 2000 noch einmal wiederholt wurde.
Rüdiger Durth: Sind sie auch aus Ihrer Sicht ein "Trauerspiel", wie die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann meint?
Peter Bukowski: Ich kann nicht verhehlen, dass ich nach der Papstbegegnung am Rande des Weltjugendtages eine andere Akzentuierung erwartet hatte. Wenn Sie schon nach meinem Gefühl fragen: ich bin eher genervt als traurig; genervt darüber, dass einmal mehr Verständigungswege für ungangbar erklärt werden – bei gleichzeitiger Beteuerung einer Notwendigkeit der gemeinsamen Wegsuche. Traurig wäre ich, wenn ich zu jenen katholischen Geschwistern gehörte, die sich um eine Weiterentwicklung der im II. Vatikanischen Konzil angelegten ökumenischen Möglichkeiten bemühen und nun einmal mehr öffentlich einen Dämpfer erhalten haben.
Rüdiger Durth: Hat die Ökumene durch diese "Antworten", die einem römischen Basta gleichkommen, einen schweren Rückschlag erlitten?
Peter Bukowski: Nein. Sie wurde seitens der Römisch-katholischen Kirche aber noch einmal nachdrücklich an ihre „Arbeitsbedingungen“ erinnert. Freilich werden sich die in der Ökumene engagierten auch weiterhin nicht abhalten lassen, das Bemühen um eine wachsende Gemeinschaft fortzusetzen. Lassen Sie mich aber die Formulierung Ihrer Frage zum Anlass nehmen, vor einseitigen Schuldzuweisungen zu warnen, als wäre das ökumenische Problem auf die unbeugsame Haltung der „Römer“ zu reduzieren. Es gibt Punkte, wo wir ein genau so klares und unhintergehbares „Basta“ vorzubringen haben: ich nenne nur das „satis est“ aus CA7 dem zufolge überall da Kirche ist, wo das Evangelium rein gepredigt und die Sakramente evangeliumsgemäß verwaltet werden.
Rüdiger Durth: Gibt es nun überhaupt noch einen Ansatzpunkt, um das ökumenische Gespräch weiterzuführen?
Peter Bukowski: Selbstverständlich sollten die bestehenden Gesprächskontakte weiter gepflegt und genutzt werden. Allerdings müsste entschiedener darüber nachgedacht werden, ob die klassischen Lehrgespräche nicht im Begriff sind, „mehr desselben Problematischen“ (Watzlawick) zu tun. Sie erwecken ja den Eindruck, man müsse nur entschieden und mit langem Atem weiter und immer weiter um Verständigung ringen, dann sei am Ende das Trennende ausgeräumt. Die als große Etappensiege gefeierten Einigungen von 1985 („Lehrverurteilungen Kirchentrennend?“) sowie die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ lehren m.E. das Gegenteil. Sie hatten im Blick auf praktische Fragen keine entscheidenden Auswirkungen und haben an der Sicht auf den uns trennenden Fundamentaldissens nichts geändert. Ich fände ein Gespräch darüber sinnvoll, wie Ökumene angesichts nicht auszuräumender Lehrunterschiede gedacht und mit noch mehr Leben gefüllt werden kann.
Rüdiger Durth: Auf den bereits 1985 ausgesprochenen Verzicht seitens der evangelischen Kirche, die Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts als kirchentrennend zu betrachten, hat es nie eine offizielle Zustimmung seitens der katholischen Kirche gegeben. Haben die Protestanten nicht zu viele Vorleistungen gebracht, die nicht honoriert worden sind?
Peter Bukowski: So kann man das nicht sagen: Beide Seiten haben mit großem Ernst um Erkenntnis und Verständigung gerungen; das hatte nichts von Taktik und das Ergebnis war durchaus beeindruckend. Enttäuscht wurden die evangelischen Erwartungen bezüglich des ekklesiologischen Gewichtes, das diese Gespräche für die römisch-katholische Seite hatte, bzw. eben nicht hatte.
Rüdiger Durth: Welches Echo hat es eigentlich auf die Streichung der papstkritischen Bemerkung aus dem "Heidelberger Katechismus" seitens der katholischen Kirche gegeben?
Peter Bukowski: Offiziell keine, obwohl wir doch im Zuge der Revision unseres Heidelberger Kathechismus, die in Frage 80 ausgesprochenen Verwerfungen für heute nicht mehr zutreffend erklärt haben. Besonders irritierend war für mich die Tatsache, dass unsere einseitige Zurücknahme zwar in der katholischen Presse des Auslands, nicht aber in Deutschland Beachtung fand. Ich nahm die Begegnung mit Papst Benedikt am Rande des Weltjugendtreffens zum Anlass ihm sowie Kardinal Kaspar noch einmal ein Exemplar dieses wichtigen reformierten Dokuments zu überreichen. Beide haben sich herzlich bedankt.
Rüdiger Durth: Welche Bedeutung hat es überhaupt für die evangelische Kirche, ob sie von Rom als Kirche anerkannt wird oder nicht?
Peter Bukowski: Isoliert betrachtet: gar keine. Im Blick auf das ökumenische Miteinander eine sehr große. Die gegenseitige Anerkenntnis als Kirche ist nach evangelischem Verständnis die Voraussetzung nicht das Ziel eines ökumenischen Dialoges. Das kann die röm.-katholische Kirche aufgrund der angenommenen „substantiellen Identität“ zwischen ihr und der Kirche Jesu Christi so nicht mit vollziehen; umso wichtiger wäre es, dass sie die im II. Vatikanum erfolgte vorsichtige Öffnung, die es ihr mit den Worten Kardinal Lehmanns erlaubt, „die anderen Kirchen… theologisch als Kirchen zu achten“ entschieden weiter verfolgt.
Rüdiger Durth: Wird nun der Konfessionalismus wieder auf beiden Seiten zunehmen?
Peter Bukowski: Das erwarte ich nicht. Dafür ist die auf allen Ebenen und in vielfacher Hinsicht praktizierte ökumenische Gemeinschaft zu vital. Eine am Wirken des gegenwärtigen Christus sich ausrichtende Ökumenische Theologie ist immer gut beraten, wenn sie lebendige Entwicklungen nach-denkend begleitet, statt allzu viel kanalisieren zu wollen.
Rüdiger Durth: Vorerst dürfte sich die Hoffnung auf eine eucharistische Gastfreundschaft seitens der katholischen Kirche wohl erübrigt haben?
Peter Bukowski: Das sieht so aus. Und für viele, gerade auch für die konfessionsverbindenden Paare ist dies schmerzlich und verstörend.
Rüdiger Durth: Macht unter dem Aspekt der "Antworten" aus Rom der für 2010 in München vorgesehene 2. Ökumenische Kirchentag überhaupt noch einen Sinn?
Peter Bukowski: Auf jeden Fall. Denn so zentral die Abendmahlsfrage ist, so wenig dürfen wir sie zum alleinigen Maßstab gelingender Ökumene hochstilisieren. Es gibt so vieles, was wir gemeinsam tun können und auch tun. Vor allem dürfen wir nicht aufhören, vom gemeinsamen Hören auf Gottes Wort und vom gemeinsamen Gebet entscheidendes zu erwarten. In ökumenischen Kirchentagen gewinnt die Hoffnung Gestalt, dass der Heilige Geist uns in eine gemeinsame Zukunft führt.