THEOLOGIE VON A BIS Z
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Partnerschaft auf Augenhöhe
Eine Tautologie?
„Auf Augenhöhe“ - so lautet die Selbstbezeichnung der Partnerschaft zwischen dem Evangelischen Kirchenbezirk Aalen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und dem Akyem Abuakwa Presbytery der Presbyterian Church of Ghana. „Auf Augenhöhe“? Damit assoziiert man Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung, also Werte, die doch einer Partnerschaft eigen sind. Handelt es sich dann nicht um eine Tautologie?
Tatsächlich sind Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung innerhalb von Partnerschaften seit der Entstehung des Begriffs im Sprachraum britischer Kolonialtheorien Anfang des 20. Jahrhunderts bis hin zu gegenwärtigen kirchlichen Partnerschaften selten bis gar nicht verwirklicht, wie Lothar Bauerochse (1996)[1] und Thomas Schuster (2006)[2] gezeigt haben. Wenn sich nun die Partnerschaft Aalen – Akyem Abuakwa die Selbstbezeichnung „auf Augenhöhe“ gibt, muss sie sich an diesem hohen Maßstab, dass es ihr gelungen ist, den mit dem Begriff Partnerschaft gegebenen Anspruch einzulösen, messen lassen.
1. Eine neue Form der Partnerschaftsbegegnung
Im Zentrum dieser deutsch-ghanaischen Kirchenpartnerschaft stehen zweijährlich durchgeführte Workshops. Die Teilnehmer kommen zu gleichen Teilen aus beiden Ländern; die Workshops finden abwechselnd in Ghana und in Deutschland statt. Seit 2000 fanden drei große Partnerschaftsbegegnungen statt, eine weitere ist für 2007 geplant. Drei Phasen sind in jedem Partnerschaftsworkshop auszumachen: 1. Intensive Begegnung im Zuge der Erarbeitung einer Präsentation; 2. Präsentation derselben und damit Multiplikation der Workshop-Erfahrungen; 3. Kennenlernen von Land und Leuten.
1.1 Intensive Begegnung beim gemeinsamen Leben und Arbeiten
Den Ausgangspunkt und roten Faden eines Workshops bildet ein biblischer Bezug: mal ein Gleichnis oder eine Geschichte, mal ein ganzes Buch oder eine biblische Person. Am Anfang der Begegnung stehen also die Fragen des Verständnisses und der Auslegung der Bibel im Vordergrund. Über die Fragen „Was sagt die Bibel?“ und „Was sagt die Bibel mir?“ kommen die TeilnehmerInnen zu den Fragen „Was sagt die Bibel uns (als gemischt-kulturelle Teilnehmergruppe)?“ und „Was wollen wir später den Besuchern unserer Veranstaltungen sagen?“. Auf diese Weise fließen in die Auslegung des Bibeltextes die unterschiedlichen persönlichen, kulturellen und religiösen Prägungen und Verstehenshorizonte ein, fokussiert immer wieder durch die Aufgabe, eine „publikumstaugliche“ Präsentation zu erarbeiten.
Weitere Themen kommen ebenfalls zur Sprache, sei es ungeplant, wenn etwa die Wahrnehmung von Unterschiedlichkeiten im Verlauf des Workshops thematisiert wird, sei es geplant in Form von thematischen Referaten bzw. mit Hilfe von Referenten. Das Spektrum der Themen ist breit: Historisches und Kulturelles, Soziales und Wirtschaftliches, Gender-Themen und Persönlich-Biografisches. Auf diese Weise findet während der ersten Phase der Partnerschaftsbegegnung eine in mehrfacher Hinsicht ganzheitliche Begegnung der TeilnehmerInnen statt: Ihre gesamten Lebenswelten werden auf den Punkt gebracht, die Begegnung findet auf kognitiver, emotionaler und kreativer Ebene statt, und die TeilnehmerInnen begegnen sich in ihrer Ganzheit als Personen.
Es bleibt nicht bei der Begegnung einander fremder Personen und Welten. Durch die Aufgabe, eine Präsentation zu erarbeiten, schaffen die TeilnehmerInnen etwas Neues, das ihnen gemeinsam ist. Nicht zu unterschätzen sind die dabei notwendigen Einigungsprozesse, das Erarbeiten von Kompromissen ebenso wie das Stehenlassen und Mitverantworten von Elementen, die nur für einen Teil der TeilnehmerInnen wichtig, zugleich aber auch unverzichtbar sind. Nicht zu unterschätzen ist auch die in interkultureller Dimension stattfindende Gruppendynamik.
Mit Trommel und Flöten, Liedern und einem Anspiel im Gepäck treffen die ghanaischen Workshop-TeilnehmerInnen am 2. Juli 2000 in Stuttgart ein, wo sie mit Sonnenblumen von deutschen TeilnehmerInnen empfangen werden. Die Gruppe quartiert sich für zehn Tage in der gerade eröffneten Internationalen Musikschulakademie Kapfenburg bei Lauchheim ein. Dort unterrichten sie sich gegenseitig in den verschiedenen Instrumenten, erfahren von den Musiktraditionen beider Länder, lernen deutsch-, ghanaisch- und englischsprachige Lieder, lesen in der Bibel und entwerfen eine gottesdienstliche Performance zu Joh. 4, 1-42 in Verbindung mit Mt. 28, 18-20. „Nkwa Nsuo – Lebendiges Wasser“ heißt die Performance, die anschließend in sechs Gemeinden des Kirchenbezirks Aalen zur Aufführung kommt
Zwei Jahre später dann in Ghana der Workshop „Music & Mission II“ zum Buch Ruth. Wird der Transfer in einen anderen Kontext gelingen? Wird es etwas Eigenes werden und nicht nur ein Abklatsch des ersten, erfolgreichen „Music & Mission“? Wird die Begegnung erneut fruchtbar sein? Diese Fragen bewegen die Verantwortlichen. Die Deutschen haben Flöten, Gitarren und Akkordeons dabei. Wieder die gemeinsame Unterbringung, das gemeinsame Leben und Arbeiten, bis die Performance zum Buch Ruth steht.
Auch der Frauenworkshop 2005 „Women – we strengthen each other / Wir Frauen bestärken uns gegenseitig“ zum Gleichnis vom verlorenen Groschen Lk. 15, 8-10 ist eine Premiere: Aufgrund der anderen Zielgruppe und weil er nicht in erster Linie musikalisch ausgelegt ist. Natürlich wird auch dieses Mal gesungen und getanzt, finden diese Elemente ebenso wie ein Anspiel ihren Platz auch während der Präsentation, die die TeilnehmerInnen entwickeln. Die Themen jedoch, mit denen sich die Teilnehmerinnen beschäftigen, drehen sich um Gender-Fragen, um Armut und Wohlstand, Alter und Jugend, Gesundheit und Krankheit. Die Gruppe besucht das Frauengefängnis Gotteszell, und die ghanaischen Teilnehmerinnen lernen während eines Praktikumtags sogar die Situation in einem deutschen Altenheim kennen. Das gemeinsame Leben während des Workshops ist noch intensiver als bei den „Music & Mission“, weil die Teilnehmerinnen selber und gemeinsam deutsche und ghanaische Gerichte kochen.
1.2 Präsentation und Multiplikation
Die Bedeutung der von den TeilnehmerInnen der Partnerschaftsbegegnung erarbeiteten Präsentation geht über den Aspekt der schlichten Fokussierung während der Begegnungsphase weit hinaus. Ihr eigentlicher Sinn ist die Multiplikation dessen, was während der ersten, intensiven Begegnungsphase stattfindet. Im Idealfall werden die ZuschauerInnen einer Präsentationsveranstaltung zu TeilnehmerInnen.
An der ersten Workshopphase (die „Erarbeitung einer Präsentation“) kann nur eine begrenzte Anzahl von Personen teilnehmen, in der Regel 16, im Ausnahmefall 20 TeilnehmerInnen, d.h. 8-10 aus jeder Partnerkirche. Eine größere Teilnehmerzahl würde die Interaktion aller miteinander verringern. Die Veranstaltungen, bei denen die Präsentation zur Darstellung kommt, ermöglichen deshalb einem größeren Personenkreis die Teilnahme an den Partnerschaftsbegegnungen. So wirkt die im Workshop stattgefundene Begegnung mit allen ihren Dimensionen in die Gemeinden des gastgebenden Kirchenbezirks hinein.
„Händels Halleluja mit afrikanischem Trommelwirbel“ lautet die Schlagzeile einer Lokalzeitung zu den Performances des Jahres 2000. Die Kirchen beben, die Besucher werden äußerlich und innerlich zu TeilnehmerInnen, als sie zum Tanz durch das Gotteshaus eingeladen werden. In Ghana zwei Jahre später lauten die Kommentare der ghanaischen Besucher so: „Die Deutschen können ja unsere Lieder singen – ist das möglich? Können sich Deutsche und Ghanaer wirklich so intensiv begegnen?“ - Das hatte wohl niemand erwartet und bis dahin auch niemand erlebt! Die intensive Begegnung, die die WorkshopteilnehmerInnen erfahren, ist für die Besucher der Performances in Deutschland wie in Ghana spürbar und erlebbar.
Die Teilnehmerinnen des Frauenworkshops 2005 dagegen haben es nicht leicht, sich aus dem Schatten der mächtigen musikalischen Aufführungen der Vorjahre zu lösen. Mit der Gestaltung eines Gemeindeabends mit Anspiel und Liedern, Berichten des Erfahrenen, Kostproben und Anschauungsmaterial gelingt es ihnen jedoch ebenfalls, den BesucherInnen Anteil an ihren Erlebnissen zu geben.
1.3 Kennenlernen von Land und Leuten
Die dritte Phase der Partnerschaftsbegegnung dient dem Kennenlernen von Land und Leuten. Anders gesagt geht es darum, die Welt kennen zu lernen, aus der die TeilnehmerInnen kommen und in der die gastgebenden Christen, Gemeinden und Kirchen leben. So sind Besuche bei weltlichen und kirchlichen Gesprächspartnern ebenso Teil dieser Phase wie die Besichtigung von Sehenswürdigkeiten und der Gang durchs Einkaufszentrum und über den Markt. Besonders für die angereisten Teilnehmer verbindet sich dabei auf wiederum neue Weise zuvor Gehörtes und Erlebtes mit neuen Erfahrungen.
1.4 Ideen für zukünftige Begegnungen
Für die Zukunft sind weitere Begegnungsprogramme vorstellbar: JugendmitarbeiterInnen könnten sich über Spiele und Spieltraditionen ihrer Länder austauschen und selber auch Spiele herstellen (Intensivbegegnung), um anschließend dieses Wissen in Jungschar- und Jugendgruppenstunden weiterzugeben (Präsentation / Multiplikation); während eines Pilgerwegs von Gemeinde zu Gemeinde im Kirchenbezirk bzw. Presbytery (Intensivbegegnung) könnten diese Erfahrungen abends bei den Gemeindeveranstaltungen, die extra angesetzt werden oder sowieso stattfinden (Konfirmandenunterricht, Sitzung des Kirchengemeinderats, Frauenkreis, Bibelstunde, Hauskreis,...) weitergegeben und ausgetauscht werden (Präsentation / Multiplikation); PädagogInnen könnten gemeinsam Unterrichtseinheiten erarbeiten (Intensivbegegnung) und diese dann zusammen in Schulen und anderen pädagogischen Handlungsfeldern durchführen (Präsentation / Multiplikation); vorstellbar ist auch eine KünstlerInnenbegegnung mit einer gemeinsamen Schaffensphase (Intensivbegegnung) und Ausstellungsphase (Präsentation / Multiplikation).
Es wird deutlich, dass der Phantasie, wer sich wie wo auf welche Weise begegnen könnte, kaum Grenzen gesetzt sind: Die Zielgruppen können sich ändern, ebenso die Abfolge der Workshopphasen wie auch die Art und Weise der Präsentation des zuvor Erarbeiteten. Wichtig ist, dass nicht nur „Experten“ eingeladen werden, die im laufenden Betrieb mitarbeiten, sondern zwei gleichgroße Teilnehmergruppen während ihrer Begegnung etwas erarbeiten, das sie anschließend präsentieren.
1.5 Weitere Begegnungen im Rahmen der Partnerschaft
Neben den großen Partnerschaftsbegegnungen in Form der Workshops kennt die Partnerschaft zwischen Aalen und Akyem Abuakwa weitere Begegnungsreisen kleinerer, 2-3köpfiger Delegationen. So wird jede Workshopbegegnung von einer Delegation gemeinsam dort vorbereitet, wo sie später stattfindet – etwas, das für die Vorbereitung der später aus der Ferne anreisenden TeilnehmerInnen von Vorteil ist. Im siebten Partnerschaftsjahr 2003 fand ein zusätzliches Treffen von Delegierten statt, das der Evaluation der bisherigen Partnerschaft diente. Zusammen mit der Vorbereitung der Frauenbegegnung 2007 wurde 2006 in Ghana auch das 10jährige Partnerschaftsjubiläum gefeiert, weshalb diese Delegation acht TeilnehmerInnen umfasste.
2. Erfahrungen
Die Erfahrungen der Partnerschaft zwischen Aalen und Akyem Abuakwa mit dem Modell der Partnerschaftsworkshops sind durchweg positiv: In der aktuellen Begegnung spielt die tatsächliche finanzielle und wirtschaftliche Ungleichheit der Partner keine Rolle. Vielmehr kommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Personen zum Zug. Durch die Präsentation des Erarbeiteten wird einem größeren Kreis als den wenigen TeilnehmerInnen die Beteiligung am Workshopgeschehen ermöglicht; die Partnerschaft wirkt auf diese Weise in die Gemeinden der Kirchenbezirke und damit in das Leben der Kirchen hinein.
Aus diesem Grund beschloss die Evaluationsgruppe des Jahres 2003 die Fortsetzung dieser Art von Partnerschaftsbegegnungen. Während der Feierlichkeiten zum 10jährigen Jubiläum in Ghana schließlich äußerte sich auch Reverend Yaw Frimpong-Manso, Moderator der Presbyterian Church of Ghana, positiv: „This partnership to me is a partnership of equals in Christ. It is not like 'We know, we have it, and we are coming to give it to you.'“[3]
Eher kritisch anzumerken ist, daß sowohl in Ghana wie in Deutschland immer wieder der Vorwurf laut wird, dass jeweils nur einige wenige Personen an den Begegnungsprogrammen teilnehmen könnten; auch schließe die jeweilige Zielgruppe (Musiker; Frauen) diejenigen aus, die nicht dazu gehören.
Die Begrenzung der Teilnehmeranzahl einer Partnerschaftsbegegnungsreise ist allerdings kein Phänomen nur dieser Partnerschaft. Durch die wechselnden Zielgruppen wird sogar versucht, diese Kritik aufzunehmen. Man muss sogar sagen, dass hier das Prinzip des Wechsels und damit das ständige Ansprechen neuer Menschen strukturell berücksichtigt ist: Nach zwei gleichartigen Workshops in beiden Ländern soll unbedingt eine neue Zielgruppe erreicht und in die Partnerschaft involviert werden.
Es soll hier auch benannt werden, dass beiderorts die Schwierigkeit besteht, die Partnerschaft auf die Ebene der Gemeinde zu bringen. Stärker noch als in Deutschland lebt in Ghana (so die Äußerung eines ghanaischen Delegierten während der Evaluation 2003) die Partnerschaft in und von den aktuellen Begegnungen. Keine Frage: während der Präsentationen in der Phase der Multiplikation werden sowohl in Ghana wie in Deutschland sehr viele Menschen von der Partnerschaft berührt. Allerdings werden eben doch weniger Menschen davon angesprochen als bei Partnerschaften, in denen jeder und jede sein und ihr „Scherflein“ für ein konkretes Projekt in Übersee beitragen kann.[4]
3. Exkurs: Von den Anfängen des Kontakts bis zum ersten Workshop „Music & Mission“
Im August 2006 begingen der Evangelische Kirchenbezirk Aalen und der Akyem Abuakwa Presbytery das 10jährige Bestehen ihrer Partnerschaft mit 10 feierlichen Tagen im August in Ghana sowie mit einer kleinen Nachfeier im Oktober in Deutschland. Die Kontakte, die 1996 zur Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde führten, bestanden allerdings schon länger.
1980 kam die Leiterin der Frauenfachschule (Presbyterian Women's Vocational Centre) in Begoro, einem Ort innerhalb des Akyem Abuakwa Presbytery, aufgrund persönlicher Kontakte nach Aalen. Im Kirchengemeinderat bat sie um Unterstützung, da es der Schule an Räumlichkeiten mangelte. Daraus entwickelte sich in Aalen und besonders mit dem dort ebenfalls ansässigen Bezirksjugendwerk ein Unterstützungs- und Aktionsnetzwerk. Mehrmals fanden in Begoro und weiteren Orten Ghanas Workcamps mit verschiedenen Bauprojekten statt, erwidert von Delegationsreisen aus Ghana nach Deutschland.
Aufgrund einer personellen Veränderung in Aalen Anfang der 90er Jahre wurde an den Ev. Kirchenbezirk Aalen die Bitte herangetragen, diesen Kontakt als Aufgabe des Kirchenbezirks fortzuführen. Nach Beratungen mit Verantwortlichen auf ghanaischer Seite sowie dem Evangelischen Missionswerk in Südwestdeutschland (ems) fiel die Entscheidung, keinen Direktkontakt mit einer einzelnen Institution in Ghana aufzunehmen, sondern eine Partnerschaft zwischen zwei Kirchenbezirken[5] zu begründen. Zu den in der 1996 unterzeichneten Partnerschaftsurkunde genannten Zielen gehört neben dem gegenseitigen Anteilgeben an den geistlichen, kulturellen und materiellen Reichtümern auch das Kennenlernen und Informieren über das Leben und den Glauben der Partner. Theologisch versteht sich die Partnerschaft als Beitrag zur Sichtbarmachung der in Christus bereits bestehenden Einheit der Kirche.
Als erste größere Begegnung im Rahmen der neuen Partnerschaft fand 1998 ein von langer Hand vorbereitetes Aufbaulager (Workcamp) in Kyebi statt. Am Sitz des Chairperson des Akyem Abuakwa Presbytery sollte ein Gästehaus gebaut werden. Trotz der kritischen Stimmen, die auf deutscher Seite im Verlauf der Vorbereitungen vor allem mit Blick auf das zu bauende Objekt laut wurden, war dieses Workcamp ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu der späteren, neuen Form der Partnerschaftsbegegnung. In der Auswertung wurde nämlich deutlich, dass die Zeit des gemeinsamen Lebens und Arbeitens an einer gemeinsamen Sache vorzüglich die intensive Begegnung der TeilnehmerInnen ermöglichte.[6] Auch berichteten die RückkehrerInnen begeistert von den Gottesdiensten mit Musik und Tanz, die sie während ihres Aufenthalts in Ghana erlebten.
Schon einmal war der Gedanke aufgetaucht, dass doch vielleicht ein Chor aus Ghana die Partnerschaft in Deutschland auf breiter Basis voranbringen könnte. Diese Idee verband sich mit der Auswertung des 1998er Workcamps, sodass kurze Zeit später nach
4. Das liebe Geld
In der Partnerschaft Aalen – Akyem Abuakwa gibt es keinen gemeinsamen bzw. gemeinsam verwalteten Partnerschaftsfond. Die Ausgaben vor Ort werden von den Partnern je selber getragen. Ohne Zweifel ist der Ev. Kirchenbezirk Aalen der finanzstärkere Partner; deshalb trägt er auch die finanzielle Hauptlast aller Begegnungsreisen und Delegiertentreffen, unabhängig davon, wo sie stattfinden. Finanziert wird dieses durch eine pro-Kopf-Umlage der Gemeinden des Kirchenbezirks Aalen sowie durch Fördermittel, Spenden und Teilnahmebeiträge.
Um der Realität der finanziellen und wirtschaftlichen Ungleichheit gerecht zu werden, unterstützt der Ev. Kirchenbezirk Aalen darüber hinaus aus den ihm für die Partnerschaft zur Verfügung stehenden Geldern den Akyem Abuakwa Presbytery mit jährlich 1000,- €[9] für dessen „needs“. Dieses Verfahren wurde 2003 für drei Jahre gemeinsam vereinbart und 2006 für weitere drei Jahre verlängert. Außerdem wird den Gemeinden des Kirchenbezirks empfohlen, für ihr jährlich zu bestimmendes Opfer für ein Weltmissionsprojekt aus der Projektliste der württembergischen Kirche ein Projekt der Presbyterian Church of Ghana auszuwählen. So kann das Bedürfnis der finanziellen Unterstützung des ghanaischen Partners in einer Art und Weise mit der Partnerschaftsbeziehung verbunden werden, die sich nicht negativ auf die Partnerschaft Aalen – Akyem Abuakwa auswirkt.[10]
5. Auf Augenhöhe
Während der Vorüberlegungen zur Partnerschaft hatte der ghanaische Pfarrer Peter Kodjo, seinerzeit Mitarbeiter im Evangelischen Missionswerk in Südwestdeutschland, gefragt: „Was wollen die Gemeinden im Norden von uns, wenn sie eine Partnerschaft eingehen? Oft stehen Hilfsprojekte und finanzielle Gaben im Vordergrund. Darum geht es bei Partnerschaft nicht. Probleme des anderen 'lösen' zu wollen, kann kein Motiv für Partnerschaft sein. Es geht vielmehr darum, für die Begegnung und den Austausch Raum zu schaffen.“[11]
Dem Evangelischen Kirchenbezirk Aalen und dem Akyem Abuakwa Presbytery ist dieses gelungen. Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung werden in der dort geübten Form der Partnerschaftsbegegnung ein Stück weit erfahrbare Realität. Anstatt die Verfestigung von Abhängigkeiten zu unterstützen, fördern die Begegnungen gegenseitiges Geben und Nehmen und gemeinsames Leben und Arbeiten. So werden diese Workshops zu exemplarischen Orten, an denen die Christen, Gemeinden und Kirchen zu ökumenisch-missionarischer Präsenz befähigt und wo die Begegnung mit dem Fremden und dessen Wahrnehmung eingeübt werden.[12] Deutlicher als anderswo gelingt es hier, miteinander und füreinander zu leben.
Aalen und Akyem Abuakwa haben das Rad nicht neu erfunden. Was sie für die Gestaltung ihrer Partnerschaft verwenden, gehört eigentlich zum Repertoire kirchlicher Gemeindearbeit Deutschlands: die Freizeiten- bzw. Rüstzeitenarbeit. Neu ist die Anwendung auf und Erweiterung für eine interkulturelle Teilnehmergruppe im Rahmen einer Partnerschaftsbeziehung.
[1] Bauerochse, Lothar (1996): Miteinander leben lernen. Zwischenkirchliche Partnerschaften als ökumenische Lerngemeinschaften. Erlangen: Verl. der Ev.-Luth. Mission (Erlanger Taschenbücher, 113), S. 203f. 396f. 401ff.; zur Entstehungsgeschichte des Begriffs „Partnerschaft“: ders., S. 156ff.
[2] Evangelisches Missionswerk in Deutschland (EMW) (Hg.) (2006): Partnerschaft über-dacht. Analyse internationaler kirchlicher Partnerschaften. In: Blaue Reihe, 12. Hamburg.
[3] Video-Dokumentation eines Gesprächs im Headquarter der Presbyterian Church of Ghana in Accra am 8.8.2006.
[4] Bauerochse berichtet Ähnliches bei einem von ihm dargestellten Beispiel: „Davon [von einer Hilfsbitte und einen Spendenaufruf; Anm. R.S.] ging die erste und eigentlich mobilisierende Kraft aus, weniger von der inhaltlichen und geistlichen Verbindung mit den afrikanischen Partnern.“ Bauerochse, a.a.O., S. 185.
[5] Um im Kirchenbezirk Aalen nicht über die Gemeinden hinweg einen Beschluß herbeizuführen, wurden alle Gemeinden des Kirchenbezirks um ein entsprechendes Votum gebeten.
[6] Von ähnlichen Erfahrungen berichtet auch Bauerochse, a.a.O., S. 382ff.
[7] Brief des Dekans von Aalen und der Bezirksbeauftragten für Mission, Ökumene und Entwicklung im Ev. Kirchenbezirk Aalen vom 1.12.1998 an den Presbytery Clerk des Akyem Abuakwa Presbytery.
[8] Antwort des Presbytery Clerk vom 24.2.1999.
[9] Dieser Betrag entspricht ca. 15% der aus der pro-Kopf-Umlage der Kirchengemeinden erzielten Partnerschaftsmittel.
[10] Bauerochse dazu in der Auswertung seiner Untersuchungen: „Dabei ist offensichtlich, daß die finanziellen und materiellen Hilfeleistungen der deutschen Partner das bestehende Geber-Nehmer-Gefälle in den Nord-Süd-Beziehungen wiederholen und verfestigen. Da sich Finanz- und Projektfragen in vielen Partnerschaften sehr in den Vordergrund drängen, ist eine partnerschaftliche Begegnung, die auf Gleichwertigkeit und Reziprozität beruht, nicht mehr möglich. Die einseitige Hilfsbeziehung der Partner korrumpiert die partnerschaftliche Beziehung.“ Bauerochse, a.a.O,, S. 399.
[11] Protokoll eines Gesprächs am 20.2.1994 in Bopfingen.
[12] So nach Bauerochse, a.a.O., S. 403ff, die Bedeutungen und Chancen von kirchlichen Partnerschaften.
Ravinder Salooja