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Versuchungen
Predigt zu Matthäus 4, 1-11 am Sonntag Invokavit, 21. Februar 2021
Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5.Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.« Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11-12): »Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5.Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«
Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5.Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.
Das Wasser auf seiner Stirn ist längst schon wieder getrocknet. Aus dem Fluss steigen, das Haar nass, die Kleider kühl auf der Haut, der Himmel über ihm offen – das scheint viel länger als vierzig Tage her zu sein. Nach seiner Taufe kommt für Jesus die Wüste, mit ihrem Sand und ihren Steinen, eine eintönige Ebene. Da gibt es nichts, was das Auge oder die Gedanken ablenkt. Dorthin zieht sich Jesus zurück, vierzig Tage lang, mit sich allein und ohne etwas zu essen. So lange, bis sich alles in ihm zusammenzieht auf die eine, leere Stelle. Das könnte sein leerer Magen sein. Oder etwas ganz anderes.
Was kommt nach der Taufe, wenn das Wasser auf der Stirn getrocknet ist? Weil die meisten von uns als kleine Kinder getauft wurden, kommt nach der Taufe eine gute Zeit. Du wirst versorgt und beschützt. Du wächst heran und kannst jeden Tag mehr, sitzen, krabbeln, laufen, sprechen, Kindergarten, erster Schultag, Schulabschluss. Deine Eltern flattern um dich herum wie zwei Engel links und rechts von dir. Böse Zungen sagen: Sie sehen wie zwei Helikopter aus dabei.
Nach der Taufe kommt die gute, kleine Zeit, wo jemand darauf achtet, dass du dir deinen Fuß nicht an einem Stein stößt, alles wegräumt, was gefährlich oder auch nur hart für dich sein könnte. So sollte es sein. Aber es gibt auch noch andere Kinder, nicht so wohlbehütet, die das Gefühl, versorgt und beschützt zu sein, nie kennengelernt haben. Und dann kommt die gute, große Zeit. In der Kinder es hassen, wenn Eltern jeden Schritt mitgehen. In der es nicht gut für sie ist, wenn Eltern alles, was gefährlich oder auch nur ein bisschen hart ist, vor den Füßen wegräumen.
Es soll ja auch schon die Fortsetzung von Helikoptereltern geben. Das sind die, die das Praktikum besorgen, beim Vorstellungsgespräch auf dem Flur warten und zum Elternsprechtag an der Uni kommen. Man nennt sie „Schneepflugeltern“. Sie meinen es gut. Sie möchten ihren Kinder den Weg ins Leben immer weiter frei räumen. Aber sie vergessen dabei, wie es sich anfühlt, wenn man immer hinter einem Schneepflug sein muss. Nicht gut. Mit einem Schneepflug kann der hungrige Jesus in der Wüste sowieso nichts anfangen. Aber es gibt eine, die auch ihm Steine aus dem Weg räumen will. Sogar noch besser als das, denn sie will sie zu Brot machen. In einem bestimmten Licht, meistens abends, wenn der Hunger richtig schlimm wird, dann sehen die flachen, runden Wüstensteine für Jesus tatsächlich wie kleine Brote aus. Aber er weiß, dass er sich daran die Zähne ausbeißen würde.
Brot mitten in der Wüste, das hat es doch schon einmal gegeben. Als Gottes Volk Israel, seine Kinder, vierzig Jahre durch die Wüste gezogen sind, da lag es jeden Morgen rund und klein für sie in der Wüste, das Brot vom Himmel. Mit kleinen, hellen Steinchen zu verwechseln, mühsam aufzusammeln, aber mit einem Geschmack von Semmeln und Honig.
Und jetzt ist die Versuchung bei Jesus. Sie sagt: Wenn du Gottes Sohn bist, dann müsstest du das doch auch können, Brot in die Wüste zaubern. Ein ganz Harter wärst du dann, einer, der Steine beißen kann, der komplett alleine klarkommt, der nichts und niemanden braucht. Selbstversorgung extrem. Und diese Versorgung ist eine Versuchung. Zu dieser Versuchung sagt Jesus „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht“. Versorgt ist man anders, als die meisten denken. Wenn das Gefühl weggeht, das sich wie ein leerer Magen anfühlt, aber eigentlich etwas ganz anderes ist. Versorgt ist man erst, wenn nicht nur der Magen satt ist, sondern auch die Seele. „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“ sagt Jesus. Sein Magen ist leer. Aber seine Seele ist satt, von den Worten, die von Gott kommen.
Die Versuchung sagt noch andere Sachen dort in der Wüste. Sie geht mit Jesus auf das Dach des Tempels und sagt: „Spring.“ Ein ganz Harter bist du dann. Einer, der immer aufgefangen wird, bevor er unten ankommt. Dir kann doch nichts passieren. Du gehörst doch zu Gott. Diese Versicherung ist eine Versuchung. Später wird Jesus wissen: Du kannst sogar Gottes Sohn sein und trotzdem ganz unten ankommen. Und nicht aufgefangen werden, sondern leiden und sterben. Denn der Weg, den Jesus geht, der beginnt in einer Wüste und er endet am Kreuz.
Die Versuchung probiert es noch einmal. Sie stellt Jesus auf einen Berg. Er kann die ganze Welt sehen von dort. All das kannst du bekommen, sagt die Versuchung, ich gebe dir alles, was du dafür brauchst. Allerdings musst du dann mich dafür anbeten und nicht mehr deinen Gott. Vermögen, Macht ist eine Versuchung. Sie ist der Traum aus der guten, kleinen Zeit als Kind, wenn man noch denkt, dass die Welt sich nach einem zu richten hat und nicht umgekehrt. Ein gefährlicher Traum und eine große Versuchung. Was geschieht, wenn Menschen diesen Traum noch als Erwachsenen träumen, wenn sie ihre Macht und ihr Vermögen bedenkenlos einsetzen, das sieht man in der Geschichte und in der Politik. Das sieht man, wenn man aus der Gedächtniskirche wieder herausgeht und vor einer Ruine steht. Jesus lehnt Macht und Vermögen ab. Er betet nicht an, was leicht zu einem anderen Gott werden kann. „Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.“
Niemand von uns hat Schneepflugeltern, die uns ein Leben lang alles aus dem Weg räumen könnten, was gefährlich ist oder hart. Wir haben alle die gleiche Aufgabe haben: Unser Leben leben, die gute, große Zeit. Darin wird es Wüstenzeiten geben, die man aushalten muss, ohne den Versuchungen von Versorgung, Versicherung und Vermögen zu erliegen. Man braucht nicht zu den ganz Harten werden, die alles alleine geregelt kriegen, denen niemand etwas anhaben kann, die es zu sagen haben.
Glücklich sind, die merken, dass es ihre Seele ist, die Hunger hat.
Glücklich sind, die wissen, dass das Leiden auch zu Menschen kommen kann, die sich an Gott halten.
Glücklich sind, die frei werden von dem Glauben, dass Macht und Vermögen das einzig Wichtige im Leben sind.
Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke der Versuchung zerstöre.
Amen.
Kathrin Oxen
Kathrin Oxen, Moderatorin des Reformierten Bundes, gibt Ihnen auf reformiert-info.de jeden Sonntag Materialien für den Gottesdienst für Zuhause, dazu eine aktuelle Predigt.